Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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Die Grenzen privater Wassermärkte<br />
Angesichts des verschärften Wettbewerbs um<br />
Wasser befürworten manche <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />
von auf handelbaren Wasserrechten basierenden<br />
Märkten zur Lösung des Wettbewerbsproblems.<br />
Ihr Argument lautet, <strong>die</strong> Festlegung<br />
klarer privater Eigentumsrechte auf Wasser<br />
würde dafür sorgen, dass <strong>die</strong> Anpassung an den<br />
verstärkten Wettbewerb <strong>über</strong> den Markt erfolgt,<br />
weil <strong>die</strong> Preisentwicklung sicherstelle,<br />
dass Wasser der produktivsten Nutzungsart zufließt.<br />
Ist das ein tragfähiges Modell für <strong>die</strong><br />
Bewältigung der sozialen und wirtschaftlichen<br />
Herausforderungen, <strong>die</strong> sich aus den oben<br />
beschriebenen Szenarien ergeben?<br />
Private Wasserrechte haben eine lange Geschichte.<br />
Im Westen der Vereinigten Staaten<br />
wurden sie vor mehr als hundert Jahren eingeführt,<br />
durch Gesetze, <strong>die</strong> nicht nur <strong>die</strong> Befugnis<br />
zur Wasserentnahme, sondern auch den Handel<br />
mit der Wassernutzung regelten. 16 Heute<br />
ermöglicht es der Wasserhandel Städten wie<br />
Los Angeles, Wasser von Farmern im Central<br />
Valley zu kaufen, <strong>die</strong> <strong>über</strong> private Wasserrechte<br />
auf ihrem Land verfügen. Unter den <strong>Entwicklung</strong>sländern<br />
hat Chile das am besten ausgebaute<br />
System privater und handelbarer Wasserrechte.<br />
Das Anfang der 1980er Jahre eingeführte<br />
System gestattet es den Landwirten, das<br />
Recht auf Wasserentnahme zum Gegenstand<br />
des Handels mit anderen Nutzern zu machen<br />
(Kasten 5.1).<br />
Private Wassermärkte bieten einen Mechanismus<br />
für den Ausgleich zwischen Angebot<br />
und Nachfrage und für höhere Effizienz, gemessen<br />
am Marktpreis. Jedoch bewirken Märkte<br />
keinen automatischen Ausgleich zwischen<br />
Effizienz und Gerechtigkeit. Außerdem kann<br />
<strong>die</strong> Markteffizienz beeinträchtigt werden, wenn<br />
es den Institutionen nicht gelingt, Marktdefizite<br />
zu korrigieren.<br />
Befassen wir uns mit Problemen der Zugangsgerechtigkeit,<br />
<strong>die</strong> auf den US-amerikanischen<br />
Wassermärkten auftraten. Diese Märkte<br />
haben <strong>die</strong> Anpassung an Knappheit und<br />
Wettbewerb erleichtert (Kasten 5.2). Insbesondere<br />
der Westen der Vereinigten Staaten verfügt<br />
<strong>über</strong> hochentwickelte Regeln und Institutionen<br />
zur Lenkung der Märkte und Vermittlung<br />
bei strittigen Ansprüchen. Aber <strong>die</strong> Zugangsgerechtigkeit<br />
wird dabei nicht immer<br />
gewahrt. Eine Untersuchung der Gewinn- und<br />
Verlustverteilung bei Wassertransfers in Men-<br />
Kasten 5.1<br />
Chile – Wassermärkte und Reformen<br />
in einer wachstumsstarken Wirtschaft<br />
Chile wird häufig als Erfolgsgeschichte zitiert, wenn es um <strong>die</strong> Einbeziehung von Wasser<br />
in umfassendere Strategien zur nachhalten Bewirtschaftung von Ressourcen und<br />
zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums geht. Marktgestützte Mechanismen<br />
spielen in der Politik <strong>die</strong>ses Landes eine wichtige Rolle. Aber es hat sich gezeigt, dass<br />
zwischen Effizienz- und Gerechtigkeitszielen Spannungen auftreten können.<br />
Das 1981 verabschiedete Nationale Wassergesetz institutionalisierte handelbare<br />
Wasserrechte im Rahmen einer umfassenden wirtschaftlichen Liberalisierung. Es entwickelten<br />
sich private Märkte und Wasserrechte wurden zu einer Handelsware.<br />
Grundbesitzer konnten ihr Wasser für bares Geld verkaufen. Die durch <strong>die</strong> Wassermärkte<br />
ermöglichten Transfers bewirkten ein nachhaltiges Wachstum bei wasserintensiven<br />
Agrarprodukten wie Obst, Gemüse und Wein, sowie bei Zellulose und dem in der<br />
Atacama-Wüste abgebauten und verarbeiteten Kupfer.<br />
Die Reformen verstärkten den Knappheitswert von Wasser und schufen Anreize<br />
für Investitionen in Effizienzgewinne. Technisch hochentwickelte Wasserbewirtschaftungssysteme<br />
im Agrarexportsektor sicherten Chile einen Platz in der ersten Reihe der<br />
effizienten Wassernutzer. Zwischen 1975 und 1992 stieg <strong>die</strong> Bewässerungseffizienz<br />
um 22-26 Prozent. Dadurch konnten zusätzliche 264.000 Hektar für den landwirtschaftlichen<br />
Anbau erschlossen und 400 Millionen US-Dollar eingespart werden,<br />
<strong>die</strong> dem Ausbau der Wasserversorgung zugute kamen. Die im Zellulosesektor eingesetzte<br />
Wassermenge ging seit 1980 um 70 Prozent zurück.<br />
Über <strong>die</strong> betriebswirtschaftliche Effizienz hinaus lassen <strong>die</strong> Indikatoren jedoch<br />
eine gemischte Bilanz erkennen. In den Knappheitspreisen für Wasser kommen <strong>die</strong><br />
durch Übernutzung verursachten Umweltschäden nicht zum Ausdruck. Dafür gibt es<br />
einen wohlbekannten Grund: Ökologische Auswirkungen werden in der Preisgestaltung<br />
freier Märkte nicht angemessen berücksichtigt. Zudem wirkten staatliche Subventionen<br />
zur Förderung forstwirtschaftlicher Exporte den von den Wassermärkten<br />
ausgehenden Preissignalen entgegen und schufen damit Anreize für eine Schädigung<br />
der Umwelt.<br />
Zwar verstärkte das Gesetz von 1981 <strong>die</strong> ökonomische Effizienz, es war jedoch<br />
sehr viel weniger erfolgreich, wenn man es am Maßstab der Zugangsgerechtigkeit<br />
misst. Die Allokation von Wasserechten ohne jede Einschränkung führte, wie zu erwarten<br />
war, zu Spekulation und zu Wassermonopolen. Da außerdem im Rahmen eines<br />
Systems mit höchst ungleicher Landverteilung <strong>die</strong> Wasserrechte mit Bodenrechten<br />
verknüpft waren, wurden <strong>die</strong> Armen benachteiligt. Forschungen im Limari-Becken<br />
zeigen, dass <strong>die</strong> Wasserrechte hauptsächlich in den Händen großer kommerzieller<br />
Farmer und städtischer Wasserhändler konzentriert sind. Das ärmste Drittel der Landwirte<br />
verzeichnete seit 1981 einen Rückgang seines Anteils an den Wasserrechten<br />
um mehr als 40 Prozent.<br />
2005 wurden Reformen eingeleitet, <strong>die</strong> darauf abzielen, private Märkte mit dem<br />
öffentlichen Interesse in Übereinstimmung zu bringen. Ein zentraler Bestandteil der<br />
neuen Rechtsvorschriften zur Lenkung der Wassermärkte sind Regulierungsbestimmungen,<br />
<strong>die</strong> <strong>die</strong> Spekulation einschränken, Monopole aufbrechen und den Umweltschutz<br />
stärken.<br />
Quelle: Rosegrant und Gazmuri S. 1994; Romano und Leporati 2002, Peña, Luraschi und Valenzuela<br />
2004; GWP <strong>2006</strong>c.<br />
5<br />
Konkurrenz um Wasser in der Landwirtschaft<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 227