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Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...

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Kasten 5.8<br />

Bewässerung und Wassermanagement in Zentralasien<br />

Zentralasien hat das Glück, durch <strong>die</strong> Flüsse, <strong>die</strong> den Gletschern<br />

des Hindukusch entspringen, reichlich mit Frischwasser versorgt zu<br />

werden. In der Region befindet sich auch eines der ausgedehntesten<br />

Bewässerungssysteme der Welt. Es ist eine Hinterlassenschaft eines<br />

sowjetischen Modernisierungsmodells, das häufig den Ausbau der<br />

Bewässerung vorantrieb, um kurzfristige landwirtschaftliche Einnahmen<br />

zu erzielen, jedoch auf Kosten der Umwelt. Der Zusammenbruch<br />

<strong>die</strong>ses Systems bremst jetzt <strong>die</strong> <strong>menschliche</strong> <strong>Entwicklung</strong> und verstärkt<br />

<strong>die</strong> Armut.<br />

Angesichts des in der Region vorherrschenden ariden Klimas ist<br />

Bewässerungswasser für <strong>die</strong> Landwirtschaft, <strong>die</strong> in ganz Zentralasien<br />

<strong>die</strong> Hauptstütze der Volkswirtschaft und der Existenzgrundlage der<br />

Menschen bildet, unverzichtbar. Der Anteil der Bewässerungslandwirtschaft<br />

beträgt in Tadschikistan und Turkmenistan mehr als ein<br />

Viertel des BIP, in Kirgistan und Usbekistan mehr als ein Drittel.<br />

Bewässerung sichert den Lebensunterhalt von rund 22 Millionen<br />

Menschen. Die Hinterlassenschaft sowjetischer Planer in der Region<br />

umfasst eine große Zahl von Dämmen, Kanälen und Pumpstationen,<br />

<strong>die</strong> zumeist an grenz<strong>über</strong>schreitenden Flusssystemen liegen. Ein<br />

weiteres Erbe ist <strong>die</strong> Umweltkatastrophe am Aralsee, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong><br />

Umleitung von Flusssystemen zur Baumwollbewässerung verursacht<br />

wurde (Kapitel 6).<br />

Schlechtes Management und eine desolate Entwässerungsinfrastruktur<br />

führten zu weitverbreiteter Vernässung und Versalzung der<br />

Böden, vor allem in den flussabwärts gelegenen Staaten. In den Einzugsgebieten<br />

des Amu Darya und des Syr Darya in Usbekistan und<br />

Kasachstan erhöhte sich <strong>die</strong> Versalzung innerhalb eines Jahrzehnts<br />

um mehr als 50 Prozent. Abgesenktes Grundwasser, eine der Ursachen<br />

für Versalzung, stellt heute eine enorme Bedrohung für <strong>die</strong><br />

Landwirtschaft dar.<br />

Die Wasserknappheit in weiten Teilen der Region hängt weniger<br />

mit der Verfügbarkeit als mit der verfallenden Infrastruktur zusammen.<br />

Pro Hektar wird in den zentralasiatischen Bewässerungssystemen<br />

um 30 Prozent mehr Wasser verbraucht als in Ägypten und Pakistan,<br />

<strong>die</strong> beide nicht gerade zu den effizientesten Wassernutzern gehören.<br />

Verdunstung, Verschlammung von Kanälen und Lecks in Kanalleitungen<br />

bedeuten, dass weniger als 40 Prozent des aus den Flüssen abgeleiteten<br />

Wassers auf den Feldern ankommen. Ein weiterer Grund<br />

für Wasserknappheit sind Ausfälle von Pumpstationen, <strong>die</strong> zur Überwindung<br />

von Höhenunterschieden von mehreren hundert Metern benötigt<br />

werden. Ineffizienz verursacht außerordentlich hohe Verluste.<br />

Die zentralasiatischen Länder verlieren durch Misswirtschaft in der<br />

Bewässerung schätzungsweise 1,7 Milliarden US-Dollar pro Jahr.<br />

Tadschikistan veranschaulicht das Ausmaß des Problems. Seit<br />

1991 wird mehr als ein Fünftel der Bewässerungsfläche des Landes<br />

nicht mehr mit Wasser versorgt. Einer Schätzung zufolge verursachte<br />

<strong>die</strong>s einen Verlust von vier Prozent des Bruttonationaleinkommens.<br />

Zwei Drittel der 445 Pumpstationen des Landes sind außer Betrieb,<br />

wodurch sich der Wasserfluss um 40 Prozent reduziert hat. Außerdem<br />

nehmen auf Grund der mangelhaften Bewässerungsinfrastruktur<br />

<strong>die</strong> zuvor schon hohen Wasserverluste noch weiter zu. Der<br />

Zusammenbruch der Infrastruktur ging mit sinkenden öffentlichen<br />

Investitionen einher. Die 2002 für den Sektor bereitgestellten Finanz-<br />

Quelle: UNDP 2003a, 2005a.<br />

mittel betrugen <strong>Bericht</strong>en zufolge nur noch ein Zehntel der 1991 verfügbaren<br />

Summen.<br />

Einfache Lösungen gibt es nicht. In der ehemaligen Sowjetunion<br />

wurde das stark zentralisierte Bewässerungsmanagement von Moskau<br />

aus gelenkt. In der postsowjetischen Ära griffen manche Regierungen<br />

zum anderen Extrem und <strong>über</strong>trugen alle Befugnisse an<br />

private Wassernutzervereinigungen. Der Mangel an Finanzmitteln für<br />

<strong>die</strong> Instandhaltung der allgemeinen Infrastruktur, <strong>die</strong> Unfähigkeit,<br />

steigende Stromgebühren für Pumpen aufzubringen, sowie Engpässe<br />

bei der Mobilisierung lokaler Finanzmittel führten zum Zusammenbruch<br />

einer großen Zahl <strong>die</strong>ser Vereinigungen.<br />

Ein weiteres Problem ist <strong>die</strong> schwach ausgebildete regionale Zusammenarbeit.<br />

Die Bewohner ländlicher Gebiete sind zur Sicherung<br />

ihrer Lebensgrundlagen auf <strong>die</strong> Flusssysteme angewiesen, an denen<br />

mehrere Länder der Region Anteil haben. Die riesige Anlage von<br />

Karhsi pumpt in mehreren Stufen Wasser aus dem Amu Darya in <strong>die</strong><br />

Steppe von Südusbekistan, zur Bewässerung von 400.000 Hektar<br />

Agrarland. Sechs der sieben Pumpstationen liegen in Turkmenistan.<br />

Differenzen zwischen den turkmenischen und den usbekischen<br />

Behörden hatten zur Folge, dass nicht mehr ausreichend in das<br />

Pumpsystem investiert wurde und Pläne zur Unterstützung seiner<br />

Modernisierung durch internationale <strong>Entwicklung</strong>shilfe zu den Akten<br />

gelegt wurden.<br />

Eine verstärkte Zusammenarbeit in der Region und dar<strong>über</strong><br />

hinaus ist für eine Erholung unverzichtbar (siehe Kapitel 6). Flussabwärts<br />

gelegene Nutzer wie Kasachstan und Usbekistan sind entscheidend<br />

vom Zeitpunkt und der Menge der Freisetzung von Wasser<br />

im flussaufwärts gelegenen Kirgistan abhängig. Die kirgisischen<br />

Behörden untersuchen derzeit Optionen für <strong>die</strong> Ausweitung der<br />

Stromgewinnung durch Wasserkraft, was den Wasserfluss in den<br />

unteren Abschnitten weiter reduzieren würde. Die fehlende Zusammenarbeit<br />

wird hohe Kosten verursachen. Die Finanzierung einer<br />

eigenständigen Wasserversorgung durch neue Staudämme in<br />

Kasachstan und Usbekistan ist eine höchst kostspielige Option. Die<br />

wirtschaftlichen Vorteile der Zusammenarbeit sind beträchtlich, aber<br />

sie ist noch nicht ausreichend entwickelt.<br />

Die wechselseitige Wasserabhängigkeit Zentralasiens erstreckt<br />

sich auch auf seine Nachbarn. Wenn es nicht gelingt, <strong>die</strong>se Interdependenz<br />

in den Griff zu bekommen, wird sich der Wassermangel in<br />

der Landwirtschaft verschärfen. Die Länder in der Region hängen von<br />

Flüssen ab, <strong>die</strong> in Afghanistan, China und Russland entspringen und<br />

Einzugsgebiete bilden, <strong>die</strong> sich mehrere Länder teilen. So entspringen<br />

beispielsweise <strong>die</strong> Flüsse Irtysh und Ili in China und fließen nach<br />

Kasachstan. Die chinesischen Behörden haben angekündigt, dass<br />

sie angesichts steigender Wasserknappheit <strong>die</strong> Umleitung von<br />

Wasser aus <strong>die</strong>sen Flüssen in <strong>die</strong> Provinz Xinjiang planen. Wenn<br />

Afghanistan in seinem Teil des Amu-Darya-Einzugsgebiets <strong>die</strong><br />

Bewässerung ausweitet, wird sich <strong>die</strong>s auf den Wasserzufluss nach<br />

Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan auswirken. Diese Fälle<br />

zeigen <strong>die</strong> höchst realen Auswirkungen der wechselseitigen Abhängigkeit<br />

von Wasser und <strong>die</strong> ebenfalls höchst realen Gefahren, <strong>die</strong> mit<br />

dem Misslingen des Aufbaus kooperationsorientierter Managementsysteme<br />

verbunden sind.<br />

5<br />

Konkurrenz um Wasser in der Landwirtschaft<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 241

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