Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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Das riesige Defizit bei der Sanitärversorgung<br />
Im Endeffekt tragen <strong>die</strong><br />
armen Haushalte <strong>die</strong> Kostenlast<br />
nicht allein für den Bau<br />
von Latrinen, sondern auch<br />
für <strong>die</strong> Bereitstellung der<br />
Infrastruktur zur Entsorgung<br />
von Exkrementen<br />
<strong>die</strong> Sanitärversorgung im ländlichen Raum auszubauen.<br />
25 Die Westbengalen-Kampagne ist <strong>die</strong><br />
einzige in In<strong>die</strong>n, bei der eine eigens hiermit<br />
beauftragte Verwaltungseinheit – das Staatliche<br />
Institut für lokale Selbstverwaltungsgremien<br />
und ländliche <strong>Entwicklung</strong> – für <strong>die</strong> Überwachung<br />
der Versorgung, Überprüfungen und<br />
Auswertungen sowie <strong>die</strong> Unterstützung und<br />
Schulung örtlicher Verwaltungen zuständig ist.<br />
Die Kampagne baut auf Hygieneerziehung und<br />
<strong>die</strong> Mitwirkung der Bevölkerung, um eine<br />
Nachfrage zu schaffen. Doch Regierungsstellen<br />
und NROs haben auch viel getan, um das Angebot<br />
zu verbessern. Die Kommunalverwaltungen<br />
förderten <strong>die</strong> Fertigung kostengünstiger<br />
Latrinensteine durch einen Verbund ländlicher<br />
Sanitärbedarfhändler und <strong>die</strong> Regierung leistete<br />
außerdem Unterstützung, um Steinmetze für<br />
<strong>die</strong> Arbeit vor Ort in den Dörfern zu schulen.<br />
Die Ergebnisse können sich sehen lassen.<br />
Als <strong>die</strong> Regierung des Bundesstaates 1990 ihre<br />
Kampagne für ländliche Sanitärversorgung in<br />
Midnapur, damals dem größten Bezirk In<strong>die</strong>ns,<br />
startete, lag der Versorgungsgrad bei unter 5 %.<br />
Inzwischen verfügen <strong>die</strong> Haushalte in dem<br />
Bezirk zu 100 % <strong>über</strong> Sanitärversorgung. Im<br />
ganzen Bundesstaat wurden in den vergangenen<br />
fünf Jahren insgesamt 2 Millionen Toiletten<br />
gebaut und installiert. Damit stieg der Versorgungsgrad<br />
bei der Sanitärversorgung im<br />
Bundesstaat von 12 % im Jahr 1991 auf heute<br />
<strong>über</strong> 40 %. Staatliche Zuschüsse decken etwa 40<br />
% der Kosten von Latrinen. Die meisten öffentlichen<br />
Mittel sind jedoch in Sozialmarketing-<br />
Kampagnen und Programme zum Latrinenbau<br />
geflossen.<br />
Das in Westbengalen in den letzten fünf<br />
Jahren Erreichte baut auf mehr als einem Jahrzehnt<br />
politischer und institutioneller Investitionen<br />
auf. Wie <strong>die</strong> in anderen Bundesstaaten<br />
gemachten Erfahrungen belegen, ist es ohne<br />
derartige Investitionen schwierig, rasche Fortschritte<br />
zu erzielen. So lancierte beispielsweise<br />
der Bundesstaat Andhra Pradesh 1997 eine<br />
breit angelegte Sanitärversorgungskampagne.<br />
Doch dabei wurde der Schwerpunkt auf kostspielige,<br />
stark subventionierte Latrinen gelegt,<br />
<strong>die</strong> im Durchschnitt fünf Mal mehr kosteten als<br />
<strong>die</strong> in Westbengalen. Spätere Auswertungen<br />
ergaben, dass <strong>die</strong>se Kampagne wenige Arme<br />
erreicht hat, und dass viele der neuen Latrinen<br />
ungenutzt blieben. Das Problem ist also nicht<br />
der Einsatz von Subventionen an sich, sondern<br />
dass es nicht gelang, <strong>die</strong>se zielgerichtet einzusetzen<br />
und durch Partnerschaften mit der Bevölkerung<br />
eine Nachfrage zu schaffen.<br />
Die hohen Kosten, <strong>die</strong> mit einem Kanalanschluss<br />
verbunden sind, bedeuten, dass <strong>die</strong> Sanitärversorgung<br />
an Ort und Stelle für viele einkommensschwache<br />
Gebiete <strong>die</strong> praktikabelste<br />
Lösung bleiben wird. Öffentliche Toiletten<br />
nach dem Vorbild von Sulabh und anderen stellen<br />
eine Möglichkeit dar, <strong>die</strong> für dichtbesiedelte<br />
Gebiete in Frage kommt. Doch der Staat<br />
könnte viel mehr tun, um günstige Bedingungen<br />
für <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong> solcher Dienstleistungen<br />
wie Grubenentleerung und Entsorgung zu<br />
schaffen, <strong>die</strong> heute in vielen Städten Mangelware<br />
sind. Im Endeffekt tragen <strong>die</strong> armen Haushalte<br />
<strong>die</strong> Kostenlast nicht allein für den Bau<br />
von Latrinen, sondern auch für <strong>die</strong> Bereitstellung<br />
der Infrastruktur zur Entsorgung von Exkrementen.<br />
Öffentliche Versorgungsträger oder Kooperationen<br />
zwischen öffentlichen und privaten<br />
Trägern können etwas bewirken. Kommunale<br />
Versorgungsunternehmen können Verträge<br />
mit dem privaten Sektor nutzen, um Dienstleistungen<br />
zu erbringen oder <strong>die</strong> Voraussetzungen<br />
für deren Erbringung zu schaffen. In Daressalam<br />
vergibt <strong>die</strong> Stadtverwaltung Lizenzen an<br />
Kleinbetriebe zur Entsorgung von Fäkalienschlamm<br />
zu einem Preis, der auch für arme<br />
Haushalte noch bezahlbar ist. Mit zunehmender<br />
Konkurrenz sind auch <strong>die</strong> Preise für <strong>die</strong>se<br />
Dienstleistung gefallen. Die Entsorgungsfirmen<br />
sind dazu verpflichtet, den Schlamm auf genehmigten<br />
Deponien abzuladen. Eine Voraussetzung<br />
für <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong> der Infrastruktur zur<br />
ordnungsgemäßen Entsorgung von Fäkalienschlamm<br />
ist das Vorhandensein geeigneter<br />
Deponien. Im Elendsviertel Kibera vor den<br />
Toren Nairobis operieren Kleinanbieter informell<br />
während der Regenzeit, wenn der von<br />
ihnen abgeladene Fäkalienschlamm vom Regenwasser<br />
weggeschwemmt wird. Dazu gibt es<br />
keine unmittelbare Alternative, da keine offizielle<br />
Deponie ausgewiesen ist.<br />
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BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong>