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Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...

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6<br />

Die Bewirtschaftung grenz<strong>über</strong>schreitender Gewässer<br />

In der Praxis akzeptieren<br />

<strong>die</strong> meisten Regierungen,<br />

dass absolute Ansätze zu<br />

Wasserrechten für <strong>die</strong><br />

Gestaltung von Politik<br />

wenig hilfreich sind<br />

Die Spielregeln<br />

Innerhalb von Ländern wird <strong>die</strong> Wassernutzung<br />

durch Institutionen, Gesetze und Normen<br />

geregelt, <strong>die</strong> durch politische Prozesse mit<br />

einem unterschiedlichen Grad von Transparenz<br />

entwickelt wurden. Die Institutionen,<br />

Gesetze und Normen des Wassermanagements<br />

bei grenz<strong>über</strong>schreitenden Gewässern sind weniger<br />

gut definiert.<br />

Einer der wichtigsten Aspekte der grenz<strong>über</strong>schreitenden<br />

Gewässerbewirtschaftung ist<br />

<strong>die</strong> staatliche Souveränität. In Auseinandersetzungen<br />

mit Mexiko <strong>über</strong> grenz<strong>über</strong>schreitende<br />

Flüsse verabschiedeten <strong>die</strong> Vereinigten Staaten<br />

1895 ein Modell absoluter Souveränität, <strong>die</strong> so<br />

genannte Harmon-Doktrin. Sie besagt, dass<br />

Länder, sofern das geltende Recht nichts anderes<br />

besagt, Wasserressourcen in ihrem Hoheitsbereich<br />

ohne Rücksicht auf <strong>die</strong> Folgen jenseits<br />

ihrer Grenzen nutzen können. Varianten <strong>die</strong>ses<br />

Ansatzes finden sich auch heute noch im nationalen<br />

Recht vieler Länder. Das kasachische<br />

Parlamentsgesetz von 2001 erklärt alle auf<br />

kasachischen Territorium entspringenden<br />

Wasserressourcen zum nationalen Eigentum.<br />

Das seinem Wesen nach entgegengesetzte<br />

Prinzip der absoluten territorialen Integrität<br />

bedeutet, dass Unterlieger das Recht haben, <strong>die</strong><br />

natürlichen Abflüsse eines Fließgewässers von<br />

den Oberliegern zu erhalten. Um den Ansatz<br />

der absoluten Souveränität zu bestreiten, berufen<br />

sich Unterliegerstaaten bisweilen auch auf<br />

ein verwandtes Prinzip, welches besagt, dass <strong>die</strong><br />

Nutzung in der Vergangenheit ein Recht auf<br />

<strong>die</strong> Nutzung auch in der Zukunft begründet. 24<br />

In der Praxis akzeptieren <strong>die</strong> meisten Regierungen,<br />

dass absolute Ansätze zu Wasserrechten<br />

für <strong>die</strong> Gestaltung von Politik wenig hilfreich<br />

sind. Nach Jahrzehnten der Abwägung<br />

wurde 1997 im auf den Helsinki-Regeln von<br />

1996 basierenden UN-Übereinkommen <strong>über</strong><br />

das Recht der nichtschifffahrtlichen Nutzung<br />

internationaler Wasserläufe Völkerrechtsgrundsätze<br />

zu grenz<strong>über</strong>schreitenden Gewässern<br />

kodifiziert. Die zentralen Prinzipien lauten<br />

„gerechte und vernünftige Nutzung“, „Vermeidung<br />

bedeutender Schäden“ und „Notifikation<br />

geplanter Maßnahmen“. Der allgemeine Leit-<br />

gedanke ist, dass bei der Planung der Nutzung<br />

internationaler Wasserläufe ihre Folgen für andere<br />

Länder, <strong>die</strong> Verfügbarkeit alternativer<br />

Wasserquellen, <strong>die</strong> Größe der betroffenen Bevölkerung,<br />

<strong>die</strong> sozialen und wirtschaftlichen<br />

Bedürfnisse der betroffenen Wasserlaufstaaten<br />

und <strong>die</strong> Erhaltung, der Schutz und <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong><br />

des Wasserlaufs selbst berücksichtigt werden<br />

sollten.<br />

Die Anwendung <strong>die</strong>ser Prinzipien gestaltet<br />

sich enorm schwierig, was zum Teil auf den<br />

offensichtlichen Umstand zurückzuführen ist,<br />

dass sie keine Instrumente zur Schlichtung konkurrierender<br />

Ansprüche beinhalten. Beispielsweise<br />

können sich Oberlieger als Argument für<br />

den Bau von Staudämmen zur Stromerzeugung<br />

aus Wasserkraft auf soziale und wirtschaftliche<br />

Bedürfnisse berufen. Unterliegerstaaten können<br />

sich dem entgegenstellen und auf ihre eigenen<br />

sozialen und wirtschaftlichen Bedürfnisse<br />

sowie auf <strong>die</strong> aktuelle Nutzung verweisen. Die<br />

Schwierigkeiten bei konkurrierenden Prinzipien<br />

und <strong>die</strong> Sorge um <strong>die</strong> nationale Souveränität<br />

tragen dazu bei, zu erklären, warum bislang<br />

nur 14 Länder dem UN-Übereinkommen<br />

beigetreten sind. Es gibt in der Praxis auch<br />

keinen Durchsetzungsmechanismus: In 55 Jahren<br />

hat der Internationale Gerichtshof erst eine<br />

Entscheidung zu internationalen Wasserläufen<br />

gefällt.<br />

Trotz all seiner Beschränkungen schreibt<br />

das Übereinkommen von 1997 Prinzipien fest,<br />

<strong>die</strong> von zentraler Bedeutung für <strong>die</strong> <strong>menschliche</strong><br />

<strong>Entwicklung</strong> sind. Es liefert einen Handlungsrahmen,<br />

um Menschen in den Mittelpunkt<br />

grenz<strong>über</strong>schreitenden Gewässermanagements<br />

zu stellen. Genauso wichtig ist das<br />

Übereinkommen zum Schutz und zur Nutzung<br />

grenz<strong>über</strong>schreitender Wasserläufe und internationaler<br />

Seen der Wirtschaftskommission<br />

der Vereinten Nationen für Europa von 1992.<br />

Es konzentriert sich stärker auf <strong>die</strong> Wasserqualität<br />

und betrachtet das Flusseinzugsgebiet<br />

explizit als eine ökologische Einheit. Das Übereinkommen<br />

von 1992 betont auch, dass <strong>die</strong><br />

Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten auf<br />

ihren aktuellen Wasserbedürfnissen und nicht<br />

auf ihrer Nutzung in der Vergangenheit beruhe.<br />

Dies ist ein wichtiges Prinzip für <strong>die</strong> mensch-<br />

274<br />

BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong>

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