Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...

KAPITEL
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Das riesige Defizit
bei der Sanitärversorgung
Zugang zu grundlegender
Sanitärversorgung ist ein
eigenständiges Kernziel,
doch er ist noch von weit
größerer Tragweite für die
menschliche Entwicklung
„Die Geschichte der Menschheit“, schrieb Victor Hugo in Die Elenden, „spiegelt
sich in der Geschichte der Kloaken wider…. Die Kloake ist das Gewissen der Stadt.“
Er benutzte das Kanalisationssystem in Paris Mitte des 19. Jahrhunderts als
Metapher für die Befindlichkeit der Stadt. 1 Doch der Zustand der Sanitärversorgung
sagt noch weit mehr über die Lage einer Nation aus – und noch Tiefgründigeres
über den Stand der menschlichen Entwicklung.
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Als weltweite Gemeinschaft sehen wir uns
einem riesigen Defizit bei der Sanitärversorgung
gegenüber – einem Defizit, das ganz überwiegend
in den Entwicklungsländern zu Tage
tritt. Heute hat fast jeder zweite Mensch in
den Entwicklungsländern keinen Zugang zu
einer verbesserten Sanitärversorgung. Eine noch
weitaus größere Zahl hat keinen Zugang zu
Sanitärversorgung von guter Qualität. Sanitärversorgung
für alle ist zwar schon seit den
1970er Jahren ein vorrangiges Entwicklungsziel,
aber bislang wurden nur mühselige Fortschritte
erzielt. Der Versorgungsgrad nimmt
zu. Doch wenn Umfang und Wirksamkeit von
Sanitärversorgungsprogrammen nicht rasch
gesteigert werden, rückt die Millenniums-Entwicklungszielvorgabe
für das Jahr 2015 in weite
Ferne.
Und das wäre ein herber Rückschlag für die
menschliche Entwicklung. Jeder Prozentpunkt
Unterschied, der sich zwischen der Millenniums-Entwicklungszielvorgabe
und dem Status
quo auftut, kommt Abermillionen kranker
Menschen und Zehntausenden vermeidbaren
Todesfällen von Kindern gleich. Zugang zu
grundlegender Sanitärversorgung ist ein eigenständiges
Kernziel menschlicher Entwicklung:
Für Millionen von Menschen, die keine gesundheitlich
unbedenkliche, die Privatsphäre
wahrende und leidlich bequeme Toilette zur
Verfügung haben, stellt der Stuhlgang eine ständige
Entwürdigung, aber auch eine Bedrohung
ihres Wohlbefindens dar. Doch Sanitärversorgung
ist noch von weit größerer Tragweite für
die menschliche Entwicklung. Ohne ein Mindestmaß
an Sanitärversorgung verpufft der
Nutzen, den der Zugang zu sauberem Wasser
bringt – und die mit dem Sanitärversorgungsdefizit
verbundenen Ungleichheiten, mögen sie
nun gesundheitlicher, geschlechtsspezifischer
oder anderer Natur sein, untergraben systematisch
den Fortschritt bei Bildung, Armutsreduzierung
und der Schaffung von Wohlstand.
Verbesserungen bei der Sanitärversorgung
können die realen Wahlmöglichkeiten und
grundlegenden Freiheiten von Menschen
erweitern und als Katalysator für vielfältige
Faktoren wirken, die der menschlichen Entwicklung
zuträglich sind. Sie können Menschen
– insbesondere Kinder – vor Bedrohungen
ihrer Gesundheit schützen. Sie können Menschen
den Weg aus der Armut weisen, indem
sie die Risiken und Anfälligkeiten verringern,
von denen sie in einem Kreislauf der Entbehrungen
festgehalten werden. Sie können die
Produktivität steigern, das Wirtschaftswachstum
ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen.
Und sie können bewirken, dass Menschen wieder
Stolz für ihr Zuhause und ihre Gemeinschaft
empfinden.
Das riesige Defizit bei der Sanitärversorgung
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG 2006 143