Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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Kasten 4.1<br />
China: Umgang mit einer Wasserkrise in einer Volkswirtschaft mit hohem Wachstum<br />
4<br />
Wasserknappheit, Risiken und Anfälligkeit<br />
Grafik 1<br />
Die Landwirtschaft<br />
verliert Anteile am<br />
Wasserverbrauch<br />
Prognostizierter Anteil von Kommunen<br />
und Industrie am Wasserverbrauch in<br />
den 3-H-Einzugsgebieten in China (%)<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1997 2010 2030<br />
Quelle: Cai <strong>2006</strong>.<br />
Grafik 2<br />
Quelle: Shalizi <strong>2006</strong>.<br />
In den 3-H-Einzugsgebieten<br />
in China<br />
herrscht große<br />
Wasserknappheit<br />
Wasserverbrauch im Verhältnis zur<br />
Bruttoverfügbarkeit, 2000 (%)<br />
100<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Hai-Luan<br />
Sehr große<br />
Wasserknappheit<br />
Huai<br />
Huang<br />
Große<br />
Wasserknappheit<br />
Seit 1979 ist China <strong>die</strong> am<br />
raschesten wachsende Volkswirtschaft<br />
auf der Welt. Die Armut ist<br />
drastisch zurückgegangen, wenngleich<br />
bei zunehmender Ungleichheit,<br />
und Bildung und Gesundheit<br />
haben sich in beeindruckender<br />
Weise verbessert. Das rasche<br />
Wachstum hat jedoch <strong>die</strong> chinesischen<br />
Wasserressourcen stark<br />
beansprucht. Der wirtschaftliche<br />
Erfolg konnte zu einem Teil durch<br />
eine unter ökologischen Gesichtspunkten<br />
zu hohe Entnahme aufrechterhalten<br />
werden. Nordchina<br />
ist jetzt aber mit einer sich verschärfenden<br />
Krise der Wasserbewirtschaftung<br />
konfrontiert.<br />
Nordchina steht im Epizentrum<br />
<strong>die</strong>ser Krise. Die Flüsse Huai,<br />
Hai und Huang (Gelber Fluss)<br />
(3-H-Flüsse) liefern das Wasser<br />
für knapp <strong>die</strong> Hälfte der Bevölkerung<br />
des Landes, 40 Prozent der<br />
Agrarfläche, einen großen Teil der<br />
Getreideproduktion und ein Drittel<br />
des BIP. Etwa <strong>die</strong> Hälfte der<br />
Armen in ländlichen Gebieten<br />
leben in ihrem Gesamteinzugsgebiet,<br />
wenngleich es weniger<br />
als acht Prozent der Wasserressourcen<br />
des Landes enthält.<br />
Jedes der einzelnen Einzugsgebiete<br />
sinkt deshalb unter <strong>die</strong><br />
Schwelle von 500 Kubikmetern<br />
pro Kopf; es handelt sich also<br />
um Gebiete mit akutem Wassermangel.<br />
Das rasche Wachstum hat<br />
den Bedarf gesteigert. Seit 1980<br />
ist <strong>die</strong> jährliche Wasserentnahme<br />
in den 3-H-Einzugsgebieten um<br />
42 Milliarden Kubikmeter gestiegen,<br />
dem durchschnittlichen Gesamtabfluss<br />
des Hai. Auch hat<br />
eine Verlagerung des Bedarfs von<br />
der Landwirtschaft zu Industrie<br />
und Kommunen stattgefunden<br />
(Grafik 1). Der Industrieanteil am Wasserverbrauch hat sich seit 1980<br />
auf 21 Prozent verdoppelt, und der Anteil der Städte hat sich verdreifacht.<br />
Derzeitigen Prognosen zufolge wird der Bedarf bis 2030 um<br />
weitere 20 Prozent zunehmen. Die resultierende zusätzliche Belastung<br />
droht <strong>die</strong> schwerwiegende qualitätsbedingte Wasserknappheit zu verschärfen.<br />
• Verschmutzung des Oberflächenwassers. Mehr als 80 Prozent der<br />
Einzugsgebiete des Hai und des Huang sind stark verschmutzt.<br />
Etwa <strong>die</strong> Hälfte der Verschmutzung geht von der Landwirtschaft<br />
und der Industrie im ländlichen Raum aus. Auf stark wachsende<br />
Industriezweige wie <strong>die</strong> Textil-, <strong>die</strong> chemische und <strong>die</strong> pharmazeutische<br />
Industrie entfällt ein Viertel und auf unbehandelte<br />
Abwässer der Bevölkerung der Rest. Nach Angaben der Staatlichen<br />
Umweltschutzbehörde sind mehr als 70 Prozent des<br />
Wassers im 3-H-System für eine Nutzung durch den Menschen<br />
zu stark verschmutzt.<br />
• Verringerte Abflüsse. Zwischen 1956 und 1979 sind <strong>die</strong> Abflüsse<br />
ins Meer aus den 3-H-Flüssen um 60 Prozent zurückgegangen.<br />
Der Wasserverbrauch in den drei Einzugsgebieten <strong>über</strong>steigt<br />
mittlerweile <strong>die</strong> Nachhaltigkeitsgrenzen bei weitem. Eine Einschätzung<br />
des Ausmaßes der Wasserknappheit kommt zu dem Ergebnis,<br />
dass <strong>die</strong> Entnahme von mehr als 20 Prozent des verfügbaren<br />
Wassers <strong>die</strong> nachhaltige Nutzung gefährdet und <strong>die</strong> Entnahme<br />
von 40 Prozent ein Indikator für extreme Knappheit ist (Grafik 2).<br />
Im 3-H-System reichen <strong>die</strong> Entnahmeraten von mehr als 50 Prozent<br />
beim Huang (Gelben Fluss) –, <strong>über</strong> 65 Prozent beim Huai-<br />
Fluss bis zu mehr als 90 Prozent im Hai-Luan-Einzugsgebiet. Dies<br />
liegt bei weitem <strong>über</strong> den Nachhaltigkeitsgrenzen. Die Veränderung,<br />
<strong>die</strong> in den vergangenen Jahrzehnten stattgefunden hat, lässt<br />
sich anhand des Wasserstands im Huang-Fluss veranschaulichen,<br />
der einmal als Kummer Chinas bezeichnet wurde, weil seine<br />
Hochwasser so schwere Überschwemmungen verursachten.<br />
Heute sind <strong>die</strong> unteren Flussabschnitte auf ein Rinnsal zusammengeschmolzen,<br />
das kaum das Meer erreicht. Die Zeit mit niedrigem<br />
Wasserstand hat sich von 40 Tagen Anfang der 1990er Jahre<br />
auf mehr als 200 am Ende des Jahrzehnts ausgedehnt.<br />
• Grundwassernutzung. Der Wassereinsatz in der Landwirtschaft<br />
wurde durch das Anzapfen von Grundwasserleitern ermöglicht.<br />
Diese werden jedoch rascher erschöpft, als sie neu gebildet<br />
werden. Im Einzugsgebiet des Hai-Flusses stehen bei nachhaltiger<br />
Bewirtschaftung jährlich etwa 17,3 Milliarden Kubikmeter zur<br />
Verfügung; <strong>die</strong> Entnahmen <strong>über</strong>steigen jedoch 26 Milliarden<br />
Kubikmeter. Die Grundwasserspiegel liegen heute 50 bis 90 Meter<br />
tiefer als vor vier Jahrzehnten, was zum Eindringen von Salz und<br />
einem Absinkens des Bodens um mehrere Meter in Städten wie<br />
Beijing, Shanghai und Tianjin beiträgt sowie <strong>die</strong> Kosten für das<br />
Hinaufpumpen des Wassers erhöht.<br />
Dies sind klassische Symptome von Wasserknappheit. Hinzu<br />
gezählt werden kann <strong>die</strong> zunehmende Belastung der Wasserversorgung<br />
in den Großstädten im gesamten Norden des Landes. Die<br />
Probleme Beijings sind wohlbekannt. Es gibt jedoch sieben weitere<br />
Großstädte in der nördlichen Region mit mehr als zwei Millionen<br />
Einwohnern – und alle sind von Wasserknappheit betroffen.<br />
Handelt es sich dabei um eine Wasserkrise? In einem gewissen<br />
Sinn nicht unbedingt. Das aktuelle Ausmaß der Wasserknappheit ist<br />
das Resultat früherer Anreize für nicht nachhaltige Muster der Wassernutzung.<br />
Bis in <strong>die</strong> jüngste Vergangenheit war <strong>die</strong> Wasserentnahme<br />
kostenlos. Ein Resultat waren fehlende Anreize zur Wassereinsparung.<br />
In der Landwirtschaft herrschte der Anbau von wasserintensivem<br />
Getreide von geringem Wert vor. Im Industriesektor verbrauchen<br />
chinesische Unternehmen vier- bis zehnmal so viel Wasser wie ihre<br />
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BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong>