Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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Kasten 4.7<br />
Integrierte Wasserressourcen-Bewirtschaftung<br />
4<br />
Wasserknappheit, Risiken und Anfälligkeit<br />
Die <strong>Entwicklung</strong> und Bewirtschaftung von Wasser-, Boden- und damit<br />
zusammenhängenden Ressourcen mit dem Ziel der Maximierung des<br />
sozialen und ökonomischen Nutzens unter gerechten Bedingungen,<br />
ohne <strong>die</strong> Nachhaltigkeit lebenswichtiger Ökosysteme zu gefährden.<br />
Dies ist das erklärte Ziel der Integrierten Wasserressourcen-<br />
Bewirtschaftung. Das Konzept wurde vom Weltgipfel für nachhaltige<br />
<strong>Entwicklung</strong> in Johannesburg 2002 als Teil der umfassenderen internationalen<br />
Strategie für <strong>die</strong> Millenniums-<strong>Entwicklung</strong>sziele verabschiedet.<br />
Es ist der jüngste in der Reihe der seit der Internationalen<br />
Konferenz <strong>über</strong> Wasser und Umwelt 1992 entwickelten Wassermanagementrahmen.<br />
Auf jener Konferenz wurde drei Kernprinzipien für<br />
gutes Wassermanagement festgelegt:<br />
• das ökologische Prinzip der Organisation der Wasserbewirtschaftung<br />
auf der Grundlage von Wassereinzugsgebieten statt unabhängigen<br />
institutionellen Nutzern und der Verknüpfung des<br />
Boden- und Wassermanagements aus Umweltgründen,<br />
• das institutionelle Prinzip, <strong>die</strong> Ressourcenbewirtschaftung durch<br />
transparente und rechenschaftspflichtige Institutionen auf der<br />
Grundlage des Subsidiaritätsprinzips auf den Dialog aller Beteiligten<br />
zu gründen – <strong>die</strong> Übertragung von Befugnissen an <strong>die</strong> niedrigste<br />
geeignete Ebene, von Nutzergruppen an der Basis bis<br />
zu Gebietskörperschaften und Entscheidungsgremien in einem<br />
Einzugsgebiet, und<br />
• das ökonomische Prinzip der stärkeren Verwendung von Anreizen<br />
und marktwirtschaftlichen Grundsätzen zur Verbesserung der<br />
Effizienz von Wasser als einer zunehmend knappen Ressource.<br />
Als allgemeine Prinzipien sind <strong>die</strong>s sinnvolle Grundlagen für jedes<br />
Wassermanagementsystem. Ausgangspunkt für <strong>die</strong> Integrierte Wasserressourcen-Bewirtschaftung<br />
ist, dass das insgesamt vorhandene<br />
Wasser als eine einzige Umweltressource betrachtet und innerhalb<br />
einheitlicher politischer Rahmenbedingungen den Hauptgruppen von<br />
Wasserverbrauchern – Landwirtschaft, Industrie und Haushalten –<br />
zugeteilt werden sollte. Durch <strong>die</strong> Berücksichtigung der Nachhaltigkeit<br />
trägt das Modell auch dem Umstand Rechnung, dass es ökologische<br />
Grenzen für den Wasserverbrauch gibt und dass <strong>die</strong> Umwelt<br />
als eigenständiger Verbrauchsbereich behandelt werden muss. Die<br />
Umsetzung <strong>die</strong>ser Prinzipien in politische Handlungskonzepte ist<br />
problematischer.<br />
Eines der vielleicht am häufigsten genannten Musterbeispiele für<br />
gute Wasserressourcen-Bewirtschaftung auf der Einzugsgebietsebene<br />
ist <strong>die</strong> Murray-Darling Basin Initiative in Südostaustralien, <strong>die</strong> sich<br />
auf 20 Flüsse und eine große Zahl von Grundwasserleitern in fünf<br />
Bundesstaaten erstreckt. Das Einzugsgebiet liefert das Wasser für<br />
drei Viertel der bewässerten Gesamtfläche Australiens, mehr als ein<br />
Viertel der Viehzuchtbetriebe und <strong>die</strong> Hälfte der Schafe und der<br />
Anbaufläche des Landes. Bei der Initiative handelt es sich um ein<br />
Kooperationsprojekt für integrierte Wasserbewirtschaftung als Reaktion<br />
auf eine Krise, <strong>die</strong> durch gravierende ökologische Schäden und<br />
<strong>die</strong> <strong>über</strong>mäßige Zuteilung für Bewässerungszwecke in einer semiariden<br />
Region ausgelöst wurde.<br />
Der Wirkungsbereich <strong>die</strong>ser Kooperation ist beeindruckend. Die<br />
1988 eingerichtete Murray-Darling Basin Commission (MDBC) legt<br />
eine Obergrenze für den Wasserverbrauch fest und berücksichtigt<br />
dabei <strong>die</strong> ökologischen Erfordernisse für <strong>die</strong> Aufrechterhaltung der<br />
Integrität des Systems. Die Bundesstaaten erhalten Wasserrechte<br />
für bestimmte Mengen zugeteilt, <strong>die</strong> sie auf <strong>die</strong> verschiedenen<br />
Nutzungsbereiche aufteilen können. Es gibt ein etabliertes Verfahren<br />
für <strong>die</strong> Streitbeilegung mit Bestimmungen für den Handel von<br />
Wassernutzungsrechten für Bundesstaaten und Einzelpersonen.<br />
Die Beteiligung der Öffentlichkeit am Wassermanagement hat<br />
sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt und umfasst Umweltschutzgruppen,<br />
Einzugsgebietkommissionen, Bauernverbände und Vertreter<br />
anderer Interessengruppen, <strong>die</strong> in Konultationsprozesse eingebunden<br />
sind. Ein Beratender Gemeinschaftsausschuss verbreitet<br />
technische Informationen <strong>über</strong> Wasserzuteilungen. Die politische<br />
Autorität des MDBC wurzelt in einer institutionellen Struktur, <strong>die</strong><br />
Befugnisse eines hochrangigen Ministerrats an nachgelagerte Ebenen<br />
delegiert.<br />
Diese Bedingungen in <strong>Entwicklung</strong>sländern nachzubilden, ist<br />
nicht einfach. Die südafrikanische Wassermanagement-Struktur nach<br />
der Apartheid weist einige institutionelle Merkmale der Murray-<br />
Darling-Initiative auf. Die nationale Wasserplanung ist in hohem Maß<br />
dezentralisiert. In einem mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten<br />
Spitzenorgan sind alle an der Wasserzuteilung beteiligten Ministerien<br />
vertreten. In Form einer von der Regierung festgelegten, nicht<br />
<strong>über</strong>tragbaren Reserve werden bei der Wasserzuteilung auch<br />
Umwelterfordernisse berücksichtigt, um <strong>die</strong> Quantität, Qualität und<br />
Versorgungssicherheit des zur Aufrechterhaltung ökologischer Systeme<br />
benötigten Wassers sicherzustellen. Im jährlichen Planungskreislauf<br />
wird kein Wasser zum Verbrauch freigegeben, bevor nicht <strong>die</strong><br />
Umweltreserve festgelegt wurde.<br />
Die institutionelle <strong>Entwicklung</strong> braucht allerdings Zeit. Brasilien<br />
wird bisweilen als Vorbild für manche Aspekte der Integrierten Einzugsgebiets-Bewirtschaftung<br />
genannt. Aber selbst in Ceará, dem<br />
unbestritten erfolgreichsten Bundesstaat, hat <strong>die</strong> <strong>Entwicklung</strong> eines<br />
Modells für partizipatorisches Wassermanagement mehr als ein<br />
Jahrzehnt gedauert.<br />
Das Nationale Wassergesetz von 1997 revolutionierte <strong>die</strong> Wasserbewirtschaftung<br />
in Brasilien. Der Ausarbeitung des Gesetzes ging<br />
ein fünfjähriger strukturierter nationaler Dialog mit mehreren tausend<br />
Veranstaltungen und öffentlichen Anhörungen voraus. Dabei kristallisierte<br />
sich <strong>die</strong> Dezentralisierung der Wasserbewirtschaftung als<br />
wichtiges politisches Ziel heraus. Die Wassereinzugsgebiete wurden<br />
als <strong>die</strong> geeignete Verwaltungseinheit für <strong>die</strong> Übertragung von Befugnissen<br />
ausgewählt. Auf allen Ebenen des Wassermanagements wurden<br />
neue Institutionen geschaffen. In einem Spitzengremium wurden<br />
Vertreter aller Ministerien mit Wasserzuständigkeiten sowie Vertreter<br />
des Bundesstaats, von Wasserverbrauchern und nichtstaatlichen<br />
Organisationen vereint.<br />
Ceará war einer der erfolgreichsten Bundesstaaten, was Reformen<br />
anbetrifft. Er liegt in einer für Dürren anfälligen, semi-ariden<br />
Region im Nordosten und ist einer der ärmsten Bundesstaaten, in<br />
dem mehr als 70 Prozent der Haushalte im ländlichen Raum unterhalb<br />
der Armutsgrenze leben. In Ceará gibt es fünf Wassereinzugs-<br />
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BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong>