Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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Kasten 5.7<br />
Gewinner und Verlierer der Reform der Wasserpolitik im Einzugsgebiet des Pangani in Tansania<br />
Die Reform der Wasserpolitik in Tansania macht deutlich, dass <strong>die</strong><br />
Einführung neuer Wasserrechte in Regulierungssysteme, <strong>die</strong> sich auf<br />
Gewohnheitsrechte stützen, unbeabsichtigte Konsequenzen haben<br />
kann.<br />
Während der letzten zehn Jahre richtete <strong>die</strong> Regierung Tansanias<br />
mit internationaler Unterstützung neue Verwaltungssysteme ein, um<br />
das Wassermanagement auf Einzugsgebietsebene zu verbessern<br />
und eine verstärkte Kostendeckung für erbrachte Leistungen zu erzielen.<br />
Ein Zentrum der Reform war das Einzugsgebiet Upper Ruaha<br />
am Pangani-Fluss. Die meisten Wassernutzer dort sind kleine Bewässerungslandwirte<br />
und Viehhalter, <strong>die</strong> seit jeher <strong>die</strong> Wasserressourcen<br />
im Rahmen gewohnheitsrechtlicher Regelungen und ohne staatliche<br />
Unterstützung bewirtschafteten. Inzwischen hat jedoch <strong>die</strong> Konkurrenz<br />
durch großflächige Bewässerung flussaufwärts und durch eine<br />
wachsende Nachfrage städtischer Nutzer erheblich zugenommen.<br />
Nach Einführung der Reformen Mitte der 1990er Jahre <strong>über</strong>trug<br />
Tansania Befugnisse an Wassernutzervereinigungen und führte<br />
Gebühren ein. Wassernutzergruppen müssen jetzt eine Mindestpauschale<br />
entrichten, durch <strong>die</strong> Wasser eingespart und Einnahmen erzielt<br />
werden sollen. Die Gebühren, <strong>die</strong> im Durchschnitt zwischen 35 und<br />
40 US-Dollar für Einzelpersonen und Gruppen betragen, werden von<br />
allen Nutzern von Oberflächen- und Grundwasser erhoben.<br />
Für eine zuvor kostenlose Ressource bezahlen zu müssen, erwies<br />
sich für <strong>die</strong> Kleinbauern und Tierproduzenten als extreme Belastung.<br />
Dabei waren <strong>die</strong> Kosten für <strong>die</strong> Gebühreneinziehung und -verwaltung<br />
sogar höher als <strong>die</strong> Einnahmen, sodass eines der beabsichtigten Ziele<br />
nicht erreicht wurde. Ein weiteres widersinniges Ergebnis war, dass<br />
ein Reformprozess, der eigentlich zu Wassereinsparungen führen<br />
sollte, stattdessen <strong>die</strong> Übernutzung förderte. Große Nutzer von Bewässerungswasser<br />
haben <strong>die</strong> neue Gebührenstruktur zwar akzeptiert,<br />
aber sie leiten aus der Entrichtung <strong>die</strong>ser offiziellen Abgabe den<br />
Anspruch ab, Wasser ohne jede Begrenzung zu nutzen, ungeachtet<br />
des saisonal unterschiedlichen Wasserdurchflusses. Großerzeuger<br />
erweiterten ihre bewässerten Flächen und begründeten <strong>die</strong>s mit der<br />
Zahlung der Wassergebühren. Die Übernutzung durch <strong>die</strong> flussaufwärts<br />
vorgenommene Bewässerung, <strong>die</strong> früher durch gewohnheitsrechtliche<br />
Regelungen eingeschränkt war, reduzierte für <strong>die</strong> Nutzer<br />
flussabwärts das während der Trockenzeit verfügbare Wasser. Das<br />
Ungleichgewicht der politischen Mitsprachemöglichkeiten verschärfte<br />
das Problem. Im Jahr 2003, also sechs Jahre nach Einführung der<br />
Reform, war in den flussabwärts gelegenen Ebenen noch keine einzige<br />
Wassernutzervereinigung gebildet worden. Die Verwaltungsreform<br />
hat also auch ernsthafte Probleme hinsichtlich der Zugangsgerechtigkeit<br />
geschaffen.<br />
Wassernutzungsgebühren sind sinnvoll für Großnutzer, städtische<br />
Anbieter und Industriebetriebe, aber Kleinnutzer, <strong>die</strong> ihre eigenen<br />
Wassersysteme verwalten, sollten davon ausgenommen werden.<br />
Entsprechend gilt, dass der Erwerb formeller Wasserrechte nicht als<br />
Freibrief für unbegrenzten Wasserverbrauch <strong>die</strong>nen darf: Mengenund<br />
anteilmäßige Kontrollen sind erforderlich, um Angebot und Nachfrage<br />
in Übereinstimmung zu bringen. Innerhalb eines armutsorientierten<br />
Planungsrahmens sollten <strong>die</strong> mengen- und anteilmäßigen<br />
Zuweisungen an moderne Großnutzer <strong>die</strong> Bedürfnisse schwächerer<br />
Kleinnutzer berücksichtigen.<br />
Quelle: Van Koppen und andere 2004; Lankford und Mwaruvanda 2005.<br />
5<br />
Konkurrenz um Wasser in der Landwirtschaft<br />
rechten durch mangelhafte politische Konzeption<br />
und schwach ausgebildete Regulierungskapazitäten<br />
verschärft. Zwischen verschiedenen<br />
Nutzergruppen mit unterschiedlichen rechtlichen<br />
Ansprüchen und Interessen, <strong>die</strong> an dasselbe<br />
Wassersystem gebunden sind, einen Ausgleich<br />
zu finden, bedeutet eine institutionelle<br />
Herausforderung. In Tansania wurde im Einzugsgebiet<br />
des Pangani-Flusses ein ehrgeiziger<br />
Versuch eines integrierten Wasserressourcen-<br />
Managements unternommen. Die große Mehrheit<br />
der Wassernutzer dort sind Viehhalter und<br />
Kleinbauern in Feuchtgebieten. Ein wachsender<br />
Bevölkerungsdruck und <strong>die</strong> Nachfrage nach<br />
Wasser für Industrie- und Bewässerungszwecke<br />
führten zu Problemen der Wasserknappheit,<br />
insbesondere während der Trockenzeit. Formelle<br />
Wasserentnahmerechte und Wassergebühren<br />
konnten <strong>die</strong>se Probleme nicht beseitigen und<br />
verschlimmerten sie in manchen Fällen sogar,<br />
indem sie unbeabsichtigt widersinnige Anreize<br />
für große Nutzer schufen, <strong>über</strong>höhte Wassermengen<br />
zu entnehmen (Kasten 5.7).<br />
Wasserrechte beeinflussen<br />
Zugangsrechte<br />
Wasserrechte spielen eine wichtige Rolle, weil<br />
sie Zugangsrechte zu Wasser prägen, sowohl im<br />
formaljuristischen Sinn als auch durch informelle<br />
Prozesse, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Verhandlungsposition<br />
der Nutzer stärken oder schwächen. Während<br />
Rechte für alle Menschen wichtig sind, spielen<br />
sie für einige eine noch größere Rolle als für andere.<br />
Die Reichen und Mächtigen haben vielerlei<br />
Möglichkeiten, um ihre Interessen zu schützen,<br />
sei es durch rechtliche oder politische Kanäle.<br />
Das Fehlen sicherer und durchsetzbarer<br />
Rechte stellt für <strong>die</strong> Armen ein viel größeres<br />
Problem dar, vor allem, wenn es um Wasser<br />
236<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong>