Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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seine Nachbarn mit. Der hohe externe Nutzen,<br />
den individuelle und kollektive Investitionen in<br />
Sanitäranlagen abwerfen, liefert starke Argumente<br />
dafür, dass derlei Investitionen vom<br />
Staat gefördert werden sollten – durch Mittelzuweisung,<br />
Subventionen und gesetzliche Regelungen.<br />
Hygiene ist ein weiteres Anzeichen von<br />
Volksgesundheit. Krankheitserreger gelangen<br />
<strong>über</strong> nicht ordentlich gewaschene Hände in<br />
Lebensmittel und Getränke und werden wieder<br />
<strong>über</strong> den Mund aufgenommen. Wer nicht ausreichend<br />
widerstandsfähig ist, wird so unweigerlich<br />
krank. Da Durchfallerkrankungen durch<br />
Kontakt mit Fäkalien verursacht werden, genügt<br />
schon das Händewaschen mit Wasser und<br />
Seife, um <strong>die</strong> Kindersterblichkeit zu senken –<br />
zusätzlich sollte natürlich Sorge getragen werden,<br />
dass Kinder nicht beim Spielen oder sonst<br />
im Alltag mit Fäkalien in Berührung kommen. 11<br />
Die in Burkina Faso gemachten Erfahrungen<br />
verdeutlichen <strong>die</strong> Zusammenhänge zwischen<br />
Sanitärversorgung und Hygiene. Mitte<br />
der 1990er Jahre gab es in Bobo-Dioulasso, der<br />
zweitgrößten Stadt des Landes, ein gut funktionierendes<br />
Wasserversorgungssystem und <strong>die</strong><br />
meisten Haushalte verfügten <strong>über</strong> Grubenlatrinen<br />
– trotzdem waren <strong>die</strong> Kinder aufgrund<br />
mangelnder Hygiene immer noch Risiken ausgesetzt.<br />
Dem Gesundheitsministerium und örtlichen<br />
Vereinigungen gelang es, durch Werbung<br />
für ein verändertes Verhalten <strong>die</strong> Zahl der<br />
Durchfallerkrankungen zu senken – beispielsweise<br />
wurde Müttern nahegelegt, sich nach<br />
dem Windelwechseln <strong>die</strong> Hände mit Wasser<br />
und Seife zu waschen. Innerhalb von drei Jahren<br />
konnten durch <strong>die</strong>se Kampagne etwa 9.000<br />
Fälle von Durchfall, 800 ambulante Behandlungen,<br />
300 stationäre Aufnahmen und 100<br />
Todesfälle vermieden werden – und <strong>die</strong> Kosten<br />
betrugen gerade einmal 0,30 US-Dollar pro<br />
Einwohner. 12<br />
Das Verhalten der Menschen mag bei der<br />
Hygiene eine Rolle spielen, doch der Zugang zu<br />
sauberem Wasser ist erste Grundvoraussetzung.<br />
Eine in kirgisischen Dörfern durchgeführte<br />
Stu<strong>die</strong> ergab, dass nur wenige der Dorfbewohner<br />
sich <strong>die</strong> Hände wuschen und dass fast <strong>die</strong><br />
Hälfte aller Haushalte Fäkalien in Gärten oder<br />
Grafik 3.2<br />
Der Nutzen der Sanitärversorgung<br />
hängt vom Handeln der Haushalte<br />
und des Gemeinwesens ab<br />
Durchfallerkrankungen pro Kind und Jahr in den Favelas von<br />
Salvador, Brasilien, 1989-90<br />
7<br />
Ohne<br />
Toilette<br />
6<br />
Ohne<br />
Entwässerung<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Mit<br />
Toilette<br />
Einzelne<br />
Haushalte<br />
Quelle: Cairncross et al. 2003.<br />
Nur<br />
Drainagen<br />
Gemeinwesen<br />
gesamt<br />
Drainagen<br />
und Abwasserleitungen<br />
auf der Straße entsorgten. 13 Dabei war das Problem<br />
nicht, dass ihnen <strong>die</strong> Bedeutung von Hygiene<br />
nicht bewusst gewesen wäre; es fehlte ihnen<br />
nur an Möglichkeiten, <strong>die</strong>se zuhause zu praktizieren,<br />
da ihnen nicht genug Wasser zur Verfügung<br />
stand und kein Geld hatten, Seife zu kaufen.<br />
In Haushalten, in denen ein Leitungswasseranschluss<br />
und Waschbecken vorhanden waren,<br />
wuchs man sich dreimal häufiger <strong>die</strong> Hände.<br />
Es wird zwar oft versucht, <strong>die</strong> Wirkungen<br />
von Wasserversorgung, Sanitärversorgung und<br />
Hygiene getrennt zu betrachten, doch das führt<br />
nicht weiter. In den Ländern, <strong>die</strong> heute reich<br />
sind, spielten seinerzeit <strong>die</strong> großen Ingenieurbauwerke<br />
– Wasserleitungen, Kanalisationsnetze,<br />
Wasserfilterungs- und Abwasserkläranlagen<br />
– eine Schlüsselrolle bei der Revolutionierung<br />
der Wasser- und Sanitärversorgung.<br />
Genauso war Aufklärung entscheidend für <strong>die</strong><br />
Verbesserung der Volksgesundheit auf der<br />
Mikroebene. Durch Kampagnen zur Förderung<br />
des Händewaschens, Stillens und Abkochens<br />
von Babyfläschchen erhöhte sich <strong>die</strong> Rentabilität<br />
der öffentlichen Investitionen in <strong>die</strong>sem<br />
Bereich. Wichtig dabei ist, dass politische Maßnahmen<br />
ergriffen werden, um <strong>die</strong> Infrastruktur<br />
auszuweiten und <strong>die</strong> Komplementaritäten zu<br />
nutzen, <strong>die</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> künstlichen Grenzen zwischen<br />
Wasser, Hygiene und Sanitärversorgung<br />
hinweg wirken. Kinder zählen zu den wirksamsten<br />
Trägern des Wandels (Kasten 3.2).<br />
Das Verhalten der Menschen<br />
mag bei der Hygiene eine<br />
Rolle spielen, doch der<br />
Zugang zu sauberem Wasser<br />
ist erste Grundvoraussetzung<br />
3<br />
Das riesige Defizit bei der Sanitärversorgung<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 149