Bericht über die menschliche Entwicklung 2006 - Human ...
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Die Grundwasser<strong>über</strong>nutzung macht deutlich,<br />
wie das Verhalten privater Verbraucher zu<br />
Kosten für <strong>die</strong> breite Öffentlichkeit führen<br />
kann. Wasser ist ein Medium für <strong>die</strong> Übertragung<br />
von Umweltkosten oder „Externalitäten“,<br />
womit eine Verzerrung von Marktsignalen einhergeht.<br />
Wasser würde wahrscheinlich in geringerem<br />
Maß <strong>über</strong>nutzt oder verschmutzt, wenn<br />
<strong>die</strong> Übeltäter <strong>die</strong> vollen Folgekosten bestreiten<br />
müssten. Auf der indonesischen Insel Java<br />
haben Textilfabriken <strong>die</strong> Wasservorräte so<br />
stark verschmutzt, dass <strong>die</strong> Reiserträge zurückgegangen<br />
sind und es in flussabwärts gelegenen<br />
Teichen weniger Fische als früher gibt. 37 Die<br />
Kosten tragen nicht <strong>die</strong> Fabriken, sondern <strong>die</strong><br />
Bauern. In ähnlicher Weise ist das Wasser<br />
der Flüsse Bhavani und Noyyal im indischen<br />
Bundesstaat Tamil Nadu wegen der arbeitsintensiven<br />
Färbe- und Bleichbetriebe im flussaufwärts<br />
gelegenen Tiruppur für <strong>die</strong> Landwirtschaft<br />
so gut wie nicht mehr nutzbar. 38<br />
Politisch bedingte Wasserknappheit<br />
Die Symptome für Wasserknappheit scheinen<br />
einige der schlimmsten Malthus’schen Befürchtungen<br />
<strong>über</strong> <strong>die</strong> Wechselwirkung zwischen<br />
Menschen und dem Wasser zu bestätigen. Die<br />
kumulierten Auswirkungen von sich beschleunigendem<br />
Bevölkerungswachstum und steigender<br />
Nachfrage nach den vorhandenen Wasservorräten<br />
führen zu Wasserknappheit in<br />
beispiellosem Ausmaß. Übersehen wird häufig<br />
<strong>die</strong> Rolle der Politik, <strong>die</strong> durch Fehler oder<br />
Versäumnisse <strong>die</strong> Wasserknappheit erst herbeiführt.<br />
Fehlerhaftes Verhalten kann viele<br />
Erscheinungsformen haben. Widersinnige<br />
Anreize zur Übernutzung zählen zu den folgenschwersten.<br />
Auch dafür ist das Grundwasser ein<br />
gutes Beispiel. Die Kosten für <strong>die</strong> Grundwasserentnahme<br />
hängen von den Investitionskosten<br />
für Pumpen und den wiederkehrenden Kosten<br />
für den elektrischen Strom zu ihrem Betrieb ab.<br />
Bei einer einmal installierten Pumpe ist der<br />
Strompreis der einzige restriktive Faktor für<br />
unbegrenztes Pumpen. In vielen Fällen wird<br />
Strom an Verbraucher in der Landwirtschaft<br />
kostenlos oder subventioniert geliefert, wodurch<br />
<strong>die</strong> Anreize zum Wassersparen fehlen. In<br />
In<strong>die</strong>n entfallen etwa ein Drittel des Umsatzes<br />
der Stromversorger auf landwirtschaftliche<br />
Verbraucher, aber nur drei Prozent des<br />
Gewinns. Der Weltbank zufolge war 2001 etwa<br />
ein Drittel des indischen Haushaltsdefizits auf<br />
Stromsubventionen zurückzuführen. 39 Diese<br />
Subventionen haben negative Anreize für <strong>die</strong><br />
Wassereinsparung und Anreize für ungeeignete<br />
Anbaumuster entstehen lassen. Beispielsweise<br />
ist es unwahrscheinlich, dass bei einer vernünftigen<br />
Bepreisung und Regulierung von Wasser<br />
eine wasserintensive Kulturpflanze wie Zuckerrohr<br />
in Gujarat großflächig angebaut würde. 40<br />
Weil Stromsubventionen im Allgemeinen mit<br />
der Größe des Grundbesitzes und der Brunnentiefe<br />
zunehmen, sind sie höchst regressiv: je<br />
reicher der Erzeuger, desto höher <strong>die</strong> Unterstützung<br />
(Kasten 4.3).<br />
Widersinnige Subventionen lassen sich an<br />
vielen Orten mit Wasserknappheit beobachten.<br />
Ein extremes Beispiel ist <strong>die</strong> früher in Saudi-<br />
Arabien geübte Praxis, Gewinne aus dem Erdölgeschäft<br />
zu verwenden, um aus einem nicht<br />
erneuerbaren fossilen Grundwasserleiter<br />
Bewässerungswasser für den Anbau von Weizen<br />
und Alfalfa in der Wüste abzupumpen. In<br />
den 1980er Jahren startete das Land ein<br />
Programm zur raschen Ausweitung der Bewässerung<br />
durch Nutzung eines fossilen Grundwasserleiters.<br />
Durch Preisstützung, <strong>die</strong> Subventionierung<br />
von Einsatzmitteln und staatliche<br />
Absicherung der Infrastrukturinvestitionen<br />
erreichte Saudi-Arabien zunächst <strong>die</strong> Selbstversorgung<br />
mit Weizen und wurde schließlich zu<br />
einem wichtigen Exporteur. Fast ein Drittel der<br />
kulturfähigen Fläche wird weiterhin für den<br />
bewässerten Weizenanbau genutzt. Schätzungen<br />
zufolge liegen <strong>die</strong> Erzeugungskosten selbst<br />
ohne Berücksichtigung der Subventionskosten<br />
und der Kosten für <strong>die</strong> Entnahme fossilen<br />
Grundwassers vier- bis sechsmal so hoch wie der<br />
Weltpreis. Jede Tonne Weizen wird mit etwa<br />
3.000 Kubikmeter Wasser erzeugt – dreimal so<br />
viel wie weltweit üblich. 2004 wurde eine neue<br />
Wassereinsparungsstrategie verabschiedet, um<br />
den Wasserverbrauch zu verringern und den<br />
Grundwasserleiter zu schützen. 41<br />
Die Preispolitik stützt häufig Systeme<br />
wiedersinniger Subventionen. Erzeugersubventionen<br />
für wasserintensive Erzeugnisse wie<br />
Übersehen wird häufig <strong>die</strong><br />
Rolle der Politik, <strong>die</strong> durch<br />
Fehler oder Versäumnisse<br />
<strong>die</strong> Wasserknappheit erst<br />
herbeiführt<br />
4<br />
Wasserknappheit, Risiken und Anfälligkeit<br />
BERICHT ÜBER DIE MENSCHLICHE ENTWICKLUNG <strong>2006</strong> 183