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Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...

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Große Heerführer waren nicht unbedingt Menschenfreunde, aber es gilt in der Geschichte als<br />

Führungshöchstleistung andere Länder zu erobern. Nach dieser Führung habe ich keinen<br />

Bedarf. Aber – ich relativere also den Satz, dass so [ein Führer ein] Menschenfreund sein<br />

muss. Das widerspricht einem alten Vorurteil, ein Führer müsste hart sein. Der muss, wie ich<br />

schon glaube, rücksichtslos gegen sich sein. Also, wenn er unter überzogenem Geltungsdrang<br />

steht, fürchte ich dass er eher fehleranfällig ist. Der demokratische Führer dürfte es eigentlich<br />

nicht sein. Demokratie ist sehr zeitaufwändig, und das darf man nicht nur als einen Nachteil<br />

betrachten. Deshalb muss Führung unter demokratischen Bedingungen geduldig sein.<br />

Diktaturen sind schnell, also wenn ihr Schnelligkeit haben wollt – da schafft man mal ein paar<br />

Sachen ab.<br />

Rolf van Dick: Jetzt gehen Sie vielleicht auch stark von sich aus, weil meine erste Frage ja<br />

auch darauf zielte. Sie sagen, man muss Menschenfreund sein, man muss Demut auch haben.<br />

Norbert Blüm: Mit dem Menschenfreund, das tu’ ich etwas relativieren.<br />

Rolf van Dick: ...um Erfolg zu haben...<br />

Norbert Blüm: Menschenfreund zu sein heißt nicht so – das muss man genauer definieren.<br />

Menschenfreund heißt nicht, einer so außen gesteuerter Liebdiener. Also, unter<br />

Menschenfreund gehört auch die Fähigkeit zur Härte des Widerspruchs. Also<br />

Menschenfreund nicht im Sinne von Jedermanns Liebling. Wenn Sie das von dieser<br />

sentimentalen Haut befreien, dann ja – Menschenfreund. Aber nicht im Sinne dieses<br />

Marketings ‚immer nur lächeln’, ‚keep smiling’, diese Menschenfreundlichkeit ist eine Art<br />

von Verkaufstechnik, aber keine Führungstechnik. Das ist die Leute hinter das Licht führen.<br />

Mit Freundlichkeit.<br />

Rolf van Dick: Wenn Sie mal an Personen gedacht haben, bei denen Sie studiert haben,<br />

Ratzinger oder die Sie gekannt haben, Nell-Breuning, Bundespräsidenten, Bundeskanzler, die<br />

Sie kennen gelernt haben, was fällt Ihnen dazu ein, wer hat Sie da inspiriert oder wo würden<br />

Sie sagen, da gibt’s spezifische Sachen die die Menschen unterschieden haben, die aber<br />

jeweils charakteristisch und gut waren?<br />

Norbert Blüm: Ja für mich, mein privater Heiliger – er ist noch nicht heilig gesprochen, aber<br />

ich habe ihn für mich heilig gesprochen – ist der Nell-Breuning. Weil er ein Mensch war, der<br />

völlig von sich absehen konnte und trotzdem sehr selbstbewusst war. Ich meine, ich bin acht<br />

Tage vor seinem Tod bei ihm gewesen, nicht wissend dass es acht Tage vor seinem Tod ist.<br />

Da bin ich da hinter ihm in St. Georgen, hinter ihm zu seiner Zelle hergeschlichen, als wir<br />

saßen – die sah so aus wie immer, wie vor 40 Jahren, spartanisch – da hat er gesagt „So, jetzt<br />

können Sie gleich mal sehen, wie ein großer Geist zerfallen ist.“ Ich in meiner Hilflosigkeit –<br />

was sagst du auf so einen Satz? – habe gesagt „Aber Herr Pater, wir kennen uns doch schon<br />

36 Jahre.“ – „37!“ ...Das kann ich mir jetzt gerade mal zum Modell nehmen. Erstens hat er zu<br />

Protokoll gegeben, dass es mit seiner geistigen Kraft am Ende ist. Zweitens war er so<br />

selbstbewusst zu sagen „ein großer Geist“, also er hat gewusst was er geleistet hat, er hat nicht<br />

gesagt „Guck’ mal, vor dir sitzt eine Flasche“ – „Vor dir sitzt jemand, der nicht mehr auf der<br />

Stufe seiner Höchstleistungen ist.“ Trotzdem ist er fast mit Eitelkeit ausgestattet. Und dann<br />

verbessert er mich noch, dann bleibt er noch nicht auf der gerade von ihm beschriebenen<br />

Defizitebene, sondern beweist mir noch, dass man ihn immer noch nicht hinters Licht führen<br />

kann. – Da ist eigentlich alles drin, was ein guter Führer braucht. Da ist drin:<br />

Selbstbewusstsein, der hat gewusst „Ich bin der große Nell-Breuning“, er hat aber auch<br />

gewusst, dass seine Leistungskraft, dass er schwach geworden ist, hat seine Schwächen

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