Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Arbeitsplätze gesichert werden oder Geld in die Staatskasse zurückkommt, die einfach an der<br />
Stelle nicht zu vertreten sind.<br />
Ich habe mir mal ein bisschen angeschaut, wo ich Beispiele für „Führung“ in ihren Büchern<br />
finde. Das ist gar nicht so einfach, aber natürlich finde ich überall Leute, die auch in<br />
Positionen sind – in der Blechtrommel Herr Bebra, der sein Fronttheater ja irgendwie managet<br />
und leitet und sagt wo es langgeht und was zu tun ist, Brauxel oder Amsel in den<br />
„Hundejahren“, der eine Industrie aufbaut mit den Vogelscheuchen, aber auch so jemand wie<br />
Mahlke in Katz und Maus, der ist ja für den Erzähler ein Ideal –<br />
Günter Grass: Naja, aber ich meine ja auch gerade in Katz und Maus ist das ja mit Thema,<br />
diese falsche Prägung durch Führungspersönlichkeiten, die in der Regel militärische Helden<br />
waren, diese Heldenanbetung. Also wenn ich dieses Gymnasium beschreibe und die<br />
ehemaligen Abiturienten, die mittlerweile entweder in der Luftwaffe oder in der Marine zum<br />
Ritterkreuz gekommen sind und die auf Heimaturlaub dann vom Direktor eingeladen werden<br />
in der Aula vor den Schüler Vorträge zu halten. Das sind diese verhängnisvollen Prägungen,<br />
die meine Generation erfahren hat, und auch das Misstrauen gegen diese Art von Führung.<br />
Rolf van Dick: Das Buch hätte, glaube ich, zwischendurch mal „Der Ritterkreuzträger“<br />
heißen sollen.<br />
Günter Grass: Im ersten Entwurf der „Hundejahre“ war es als Kapitel vorgesehen unter dem<br />
Arbeitstitel „Der Ritterkreuzträger“, und das habe ich dann herausgenommen und daraus ist<br />
dann die Novelle „Katz und Maus“ entstanden, dass sich dann auch von der Form her als<br />
Novelle noch anders bewegte.<br />
Rolf van Dick: Wobei genau das Ritterkreuz ihnen dann genau wieder vorgeworfen wurde,<br />
ich glaube einer der Prozesse drehte sich um die Verunglimpfung von Symbolen. Wenn man<br />
sich diese Figuren anschaut, Bebra oder Amsel oder Mahlke, dann ist die Frage für mich, oder<br />
auch eine Frage die in der Wissenschaft gestellt wird: Wird man zum Führer? Ist man so, weil<br />
man bestimmte Eigenschaften hat und schafft man es dann nach oben und ist dort auch<br />
erfolgreich? Oder kann man das lernen? Kann man eine gute Führungskraft werden?<br />
Günter Grass: Bleiben wir mal bei dem Konkreten, zum Beispiel das Beispiel, das Sie mit<br />
Bebra erwähnt haben, der kleinwüchsig ist, und dem Oskar Matzerath, als jemand, der als<br />
Dreijähriger sein Wachstum einstellte, auf dem Zirkusgelände begegnete. Und die beiden<br />
kommen ins Gespräch. Oskar spricht mit ihm ganz offen, weil er in ihm, diesem Bebra,<br />
jemand vermutet, mit dem er reden kann. Und Bebra gibt ihm eine Anweisung, gleich zu<br />
Anfang: „Es kommen schlimme Zeiten, da sind Leute wie wir, Kleinwüchsige, Liliputaner<br />
etc. gefährdet. Niemals vor Tribünen stehen!“ Wenn, dann auf der Tribüne, und in die Dinge<br />
mit integriert sein, oder unter der Tribüne, wie es dann Oskar macht. Und später schließt er<br />
sich ihm an, und Bebra sagt das natürlich aus einer Erfahrung heraus: Er weiß, dass<br />
seinesgleichen gefährdet ist. Er vermittelt Oskar eine Erfahrung, in dem Sinne ist Oskar, der<br />
ja sonst keine Obrigkeit anerkennt, bereit, diese Art von Führung zu akzeptieren. Aber der<br />
bloße Führungsanspruch, der reicht nicht aus.<br />
Ich mache jetzt mal einen Sprung, aber auch innerhalb meines Berufsstandes: Wie viele gut<br />
geführte Verlage sind kaputtgemacht worden, indem man die Führung irgendeinem<br />
Management übertrug, die auf einmal das Produkt Buch wie Seife oder wie irgendeinen<br />
anderen Handelsartikel behandelten und dem Geldgeber, dem Aufkäufer des Verlages, hier<br />
wird eine Rendite von 12% gemacht? Also ein gut geführter Verlag in besten Zeiten hat<br />
allenfalls 3%, das wird ihnen jeder gute Verleger bestätigen, und das ist schon sehr gut, wenn<br />
es so läuft. Und wenn man dann solche Managervorgaben macht, die mit Literatur absolut