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Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...

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Rolf van Dick: Nun ist es aber so: Meine Beobachtung ist, dass in der Politik die<br />

Legislaturperioden einfach zu kurz sind und man immer nur an die nächsten Wahlen denkt.<br />

Glauben Sie, dass das eins der Probleme ist warum Politik oft Fehler macht, nicht verstanden<br />

wird?<br />

Roman Herzog: Ja, natürlich. Das spielt eine Rolle, im Übrigen in der Wirtschaft noch mehr.<br />

Also wenn ich aus der Wirtschaft den Vorwurf höre: „Ihr Politiker schaut immer nur auf die<br />

nächste Wahl.“ Dann muss ich wirklich sagen, dass die Wirtschaftsbosse nur noch auf den<br />

nächsten Vierteljahresbericht schauen. Und das ist noch wesentlich weniger. (lacht) Dieses<br />

Problem besteht immer, aber es ist ein menschliches Problem. Damit muss man fertig werden.<br />

Ich könnte mir vorstellen, dass eine vierjährige Amtszeit, Wahlperiode, vielleicht um ein Jahr<br />

verlängert werden könnte. Damit die Zeit nach der Wahl und vor der nächsten Wahl<br />

verlängert wird, in der wirklich entschieden werden kann. Das ist klar. Aber ich glaube nicht,<br />

dass das wirklich das Entscheidende ist. Das Entscheidende ist immer: Wie sind die<br />

Wahlaussichten. Und da gilt bisher immer noch die Regel: Wenn alle sagen wir brauchen<br />

neue Reformen, dann ist das wunderschön. Aber wenn einer anfängt zu sagen: Wir brauchen<br />

Reformen, aber die tun nicht weh. Dann ist die Wahl entschieden. (lacht)<br />

Rolf van Dick: (lacht)<br />

Roman Herzog: So war es in den letzten Wahlen 2002, 2005. Und das war eigentlich schon<br />

das Problem das in der „Ruck-Rede“ angedacht war.<br />

Rolf van Dick: Meine Frage wäre jetzt: Was sind sozusagen die Fehler? Warum sehen wir so<br />

viele Probleme? In der Politik ist es die Politikverdrossenheit der Menschen. In der Wirtschaft<br />

ist es die Finanzkriese. Jahrelang haben wir unter hoher Arbeitslosigkeit gelitten. Jetzt leiden<br />

wir unter Phänomenen wie Burnout und Krankheit. 52 Millionen Krankentage im<br />

vergangenen Jahr aufgrund von psychischen Störungen sagen die Krankenkassen. Was sind<br />

da die Probleme? Wo läuft Ihrer Meinung nach in der Führung etwas falsch?<br />

Roman Herzog: Ich glaube gar nicht, dass das so sehr mit Führung zusammenhängt. Erstens:<br />

Die gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen, Verhältnisse werden immer schwieriger,<br />

immer undurchschaubarer. Es gibt fast nichts, wovon der Mensch nicht glaubt, dass es nicht<br />

von Menschen beeinflusst werden kann. Und wenn es dann aber nicht läuft, glaubt er es sei<br />

falsch beeinflusst worden. Und das geht auch immer schneller. Es wird alles immer<br />

komplizierter. Ich nenne das also die Dynamisierung der Gesellschaften und auf der anderen<br />

Seite akzeleriert auch. Das sind ganz einfache Vorgänge, die man mühelos erklären kann.<br />

Und dass das den Menschen Angst macht. Zumindest denen die im Grunde an sich schon eine<br />

Beamtenähnliche Struktur haben. Ja also die nicht gerne den Beruf wechseln möchten, die<br />

nicht gerne etwas Neues dazulernen würden. Dass das den Leuten Schwierigkeiten macht, das<br />

ist einzusehen. Und man muss auch das dosieren, also die Reaktionen darauf dosieren. Hinzu<br />

kommt natürlich auch noch, dass alles was an Problemen auftaucht, auch jetzt im Zeitalter der<br />

Globalisierung halt da und dort, gerade bei den sehr reichen Völkern wie Deutschland, es<br />

etwas enger zu werden beginnt. Und dann mache ich mir immer folgendes klar: Wenn Sie<br />

sich vorstellen, dass es bis in das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts hin eigentlich kein Jahr<br />

oder nicht wirklich ein Jahr gegeben hat, in dem es keine Zugangsraten gegeben hat beim<br />

BIP. Dann bedeutet das, dass schon fast 60 Jahrgänge unserer Bevölkerung mit dem Wort<br />

Wirtschaft automatisch Zuwachs assoziiert haben. Und jetzt stagniert es oder wir gehen ein<br />

halbes Prozent zurück und dergleichen. Und wenn Sie sich vorstellen, das sich der Mensch,<br />

der sich für solche Dinge zu interessieren pflegt, nicht erst vier Jahre alt ist sondern

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