Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Ungerechtigkeit!“ – das müssen wir dann diskutieren. Also ich finde Gerechtigkeit ist ein<br />
Wert. Leben ist ein Wert! Und wenn aus Liebe ein Ehemann zuschaut- das ist ja sozusagen<br />
das Thema, dass mich seit einigen Wochen beschäftigt- wenn jemand sagt: „Ich schaue aus<br />
Liebe zu, wie meine Frau die Angst vor Demenz hat, einen Giftbecher hat, um sich selbst<br />
umzubringen. Die Liebe verlangt von mir die Selbsttötung eines von mir geliebten Menschen<br />
mit anzugucken.“ – dann muss ich sagen, die Leute haben nicht alle Tassen im Schrank! Die<br />
Liebe gebietet es einen Giftbecher wegzukippen und zu sagen: „Meine liebe Frau, Du hast sie<br />
wohl nicht mehr alle! Wie beide gehören zusammen und ich gehe mit Dir durch dick und<br />
dünn!“ Und wir müssen da reden! Wenn jemand ein dreimonatiges Kinde im Mutterschutz<br />
abtreibt, dann wird er nicht bestraft. Wenn jemand ein siebenmonatiges Kind, weil es Down<br />
Syndrom hat, mit einer Kochsalzlösung im Mutterschoß töten darf, wird er auch nicht<br />
bestraft. Wenn aber jemand kurz nach der Geburt sein totes Kind im Straßengraben liegen<br />
lässt und dann wird die Mutter gefunden, dann kommt die ins Gefängnis! Da denke ich mir,<br />
was ist das denn für eine Gesellschaft!? Das ist für meine Begriffe Willkür. Mir hat bis jetzt<br />
auch niemand was anderes Vernünftiges beigebracht, andere Argumente gezeigt. Wenn wir<br />
bei Leben, Liebe, Gerechtigkeit, Frieden, sagen wir wegen mir noch Wohlstand verstanden<br />
als Wohlergehen für alle. Gemeinwohl ist ja ein Wert unseres Grundgesetzes. Und diesem<br />
wert müssen wir uns unterordnen. Und wenn dann die Folge ist, dass wir alle nur noch<br />
hundertdreißig auf der Autobahn fahren, freiwillig, nicht weil wir gezwungen werden,<br />
sondern weil wir uns alle gegenseitig lieben, dann hält die ausländische Presse uns<br />
wahrscheinlich alle für verrückt. Das ist das Komische! Wer sich an Werte hält, der gilt ja<br />
eigentlich als verrückt. Sagen Sie mal als Mann ganz freiwillig: „Ich gestalte mein Leben so,<br />
dass ich nach Feierabend nachhause komme, dann gehe ich eine Stunde spazieren, und wenn<br />
ich nachhause komme, dann rufe ich noch gerne einen Menschen an, von dem ich weiß, dass<br />
der traurig ist. Das mache ich immer montags, das ist so ein Begleitungsgespräch. Mittwochs<br />
ist immer mein Abend, wo ich ins Hospiz. Mein Lieblingszimmer ist das Liborius-Zimmer<br />
und wer da gerade ist und sterbend ist, der weiß schon, Mittwochabends komm immer ich, um<br />
zwei Stunden Leben in die Bude zu bringen.“ Erzählen Sie das mal am Arbeitsplatz! Sie<br />
werden ja für krank gehalten! Und so bescheuert sind wir: Wir gieren nach Werten und wer<br />
sich an Werte hält, der wird für verrückt erklärt. Und da möchte ich erst mal ein Rufer in der<br />
Würste sein, der Menschen sagt: „ Setzt euch doch mal zusammen.“ Ich hab letztens einem<br />
Vorstandsvorsitzendem einer großen Firma gesagt: „Sie geben doch Geld für die<br />
Weihnachtsfeier? Wenn ich Geld geben würde für eine Weihnachtsfeier würde ich dann ja<br />
auch sagen, wie die Weihnachtsfeiern zu laufen hat. Und die wäre dann so, dass man nach<br />
dem ersten Gang ne Tafel aufstellt und wir schreiben dem Chef mal, wie glücklich wir über<br />
ihn sind. Und auf der anderen Seite schreiben Sie, was wir uns eigentlich an Verbesserungen<br />
wünschen. Und das machen wir zu einer großen Rolle und diese Rolle möchte ich als Chef<br />
von euch zur Weihnachtsfeier geschenkt bekommen! Die werde ich mir im Wohnzimmer<br />
dann an die Wand hängen und werde ich mir die ganzen Weihnachtsfeiertage angucken.“ Da<br />
hat er mich ganz groß angeguckt.<br />
Rolf van Dick: Meinen Sie, er wird es machen?<br />
Bruder Paulus: Ja, er hat mir gesagt, dass es eine gute Idee ist, er wird es mal versuchen.<br />
Und so schaffen Sie auch ein Klima, in dem Menschen gerne arbeiten. Das sollte die<br />
Führungskraft eigentlich vor allen Dingen, sie sollte den Arbeitern vermitteln: Wir arbeiten<br />
hier gemeinsam, ich diene eigentlich nur der gemeinsamen Leistung.<br />
Rolf van Dick: Bruder Paulus, herzlichen Dank!<br />
Bruder Paulus: Bitteschön! Gerne!