Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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das Volk, auf die ganze Bevölkerung ankommt. Irgendwann muss immer eine neue Idee<br />
entstehen. Die entsteht bei Einzelnen und die müssen dann sehen wie sie damit<br />
zurechtkommen und durchkommen. Und einfach schon deswegen, weil ich sage es jetzt<br />
einmal historisch, eine ständige, permanente Demokratie an den faktischen Möglichkeiten<br />
scheitert. Und das ist dann meistens eine mehrstufige Angelegenheit. Es muss meisten Einer<br />
da sein oder ein ganz kleines Gremium, das eine Idee neu entwickelt. Dann muss man<br />
versuchen so viele Gefolgsleute zu finden, nicht nur bei Journalisten sondern in der Politik<br />
auch einfach bei Mitstreitern, damit man überhaupt genug Leute hat um in die Bevölkerung<br />
hineinzuwirken. Und dann muss man sehen, dass man die nötige Führungskraft gegenüber<br />
den Wählern besitzt.<br />
Rolf van Dick: Was unterscheidet dann gute von weniger guter Führung? Also wann ist man<br />
erfolgreich seine Ideen zu übertragen?<br />
Roman Herzog: Also wenn Sie jetzt gute Führung sagen, muss man zunächst Differenzieren.<br />
Eine Führung die zu etwas bösem führt, ist keine gute Führung. Das aber meinen Sie<br />
wahrscheinlich nicht. Sondern es geht um eine technisch gute Führung. Meine Erfahrung ist,<br />
dass es auf zwei Dinge vor allem ankommt. Das Eine ist die Art wie sie begründet wird. Das<br />
wird immer schwieriger, weil immer weniger in unseren gesellschaftlichen Entwicklungen<br />
auch bis hin zu unseren finanzpolitischen Fragen wirklich berechnet und belegt werden kann<br />
und auch so dargestellt werden kann, dass es auch der letzte Bürger noch versteht. Sodass es<br />
hier um ein rationales Argumentieren geht, das aber einen immer größer werdenden Bereich<br />
überbrücken muss, in dem nicht mehr wirklich rational mit Aussicht auf Erfolg argumentiert<br />
werden kann. Und dazu braucht es Vertrauen. Und das sind die beiden Dinge: Ein halbwegs<br />
überzeugendes Programm mit dem Versuch dieses Programm auch so weit wie möglich<br />
rational dem Menschen zu erklären. Und dort wo das nicht mehr möglich ist oder wo sie nicht<br />
mehr hinhören, im Grunde personale Autorität. Das heißt also Vertrauen zu bilden. Und dies<br />
alles hängt nun wieder damit zusammen, dass man also auf eine möglichst faire und<br />
überzeugende Weise argumentiert und auftritt. Ich hoffe eigentlich, dass die Großmäuler<br />
gerade in dieser Situation etwas weiter im Hintergrund verschwinden.<br />
Rolf van Dick: Wenn man Ihre persönliche Karriere ansieht…Sie sind ja ganz jung gerade<br />
nach der Habilitation mit Anfang 30 Professor in Berlin geworden, sind dort auch Dekan<br />
geworden an einer großen, juristischen Fakultät und in einer schwierigen Zeit. Nämlich den<br />
Studentendemonstrationen und – Unruhen. Dann sind sie nach Speyer gewechselt, Sind auch<br />
dort auch relativ schnell Rektor der Universität geworden. Eigentlich, und das schreiben Sie<br />
auch in Ihren Erinnerungen, haben Sie mit Mitte 30 alles erreicht und haben sich darauf<br />
vorbereitet mehrere Jahrzehnte Professor zu sein, zu Forschen und zu Lehren. Und dann kam<br />
es ganz anders.<br />
Roman Herzog: Ja, das ist das Schicksal meiner Generation gewesen. Sie müssen sich<br />
vorstellen: Die erste Fakultät deren Mitglied ich war hat insgesamt aus circa sechs Leuten<br />
bestanden, die unter 40 waren. Und aus sechs die über 60 waren. Und dazwischen war noch<br />
ein 55-Jähriger. Das war damals die Situation. Die ältere Generation war entweder durch den<br />
Nationalsozialismus vernichtet oder sie hat sich selber disqualifiziert im Nationalsozialismus<br />
oder sie waren gefallen, sie waren in Kriegsgefangenenlagern. Als sie zurück kamen hatten<br />
Sie andere Dinge zu tun als sich jetzt ausschließlich mit Wissenschaft zu befassen. Und bei<br />
den älteren war es eben so, dass die gesamte jüdische Professorenschaft verlorengegangen ist.<br />
Und auch diejenigen die sich selbst disqualifiziert haben. Das heißt man konnte gar nicht<br />
anders. Und darum waren das alles keine wirklichen Verdienste. Man konnte eigentlich gar<br />
nicht anders als nach der Habilitation einen Lehrstuhl zu bekommen. (lacht)