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Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...

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Oliver Reese: Je länger ich das mache, was ich mache, desto wichtiger werden mir<br />

bestimmte, sagen wir, Grundeinstellungen. Und ehrlich gesagt, das macht das Leben leichter.<br />

Also, zum Beispiel, nehmen wir einen heiklen Fall, wie Trennung von Mitarbeitern. Wenn<br />

man Menschen, mit denen man teilweise über Jahre gearbeitet hat, irgendwann der Meinung<br />

ist, dass jemand, der nicht mehr optimal auf dem Posten ist, auf dem er ist, also am Theater<br />

zum Beispiel auch Schauspieler im Ensemble, oder eine Öffentlichkeitsarbeiterin, ein<br />

Pressechef, ein künstlerischer Betriebsbüromitarbeiter, dann glaube ich fällt es unglaublich<br />

schwer solche Entscheidung zu treffen, auch im Fall von einer Vertragsnichtverlängerung,<br />

wenn man sich, wie soll ich sagen, nur in der Psychologie und im Miteinander, im täglichen<br />

Leben verwurzelt ist, statt zu gucken, welches eigentlich die Grundentscheidungen sind,<br />

Grundwerte sind, sagen wir ruhig dieses Wort, nach denen man Entscheidungen trifft. Und,<br />

wie soll ich sagen, eine Entscheidung gegen eine Nicht-Verlängerung – also jemand zu<br />

behalten, obwohl mal vielleicht nicht mehr von ihm überzeugt ist – bedeutet ja auch immer,<br />

sich gegen jemand zu entscheiden, der jetzt nicht kommen kann, weil die Stelle dann anders<br />

besetzt ist. Also die Alltagspsychologie sagt mir: „Das ist doch hier mein lieber Mitarbeiter,<br />

das fällt mir jetzt sehr schwer, den nicht zu verlängern.“ Fällt es auch! Aber zum Beispiel zu<br />

wissen, wie hoch stelle ich sozusagen meine Anforderung an das Gesamtniveau dieses Hauses<br />

und wie wichtig ist denn diese Stelle für alle anderen Mitarbeiter und inwiefern wäre es jetzt<br />

zum Beispiel für die Erneuerung eines Theaters wichtig, nach – sagen wir fünf bis sechs<br />

Jahren – mal im Ensemble viele neue Gesichter zu haben, damit für die Zuschauer eine neue<br />

Attraktivität und ein neuer Aufbruch ist, und auch möglicherweise hausintern. Und solche<br />

Entscheidungen dann zu treffen, nicht, weil ich sagen, "ich mag da jemanden nicht mehr"<br />

oder "Oh Gott, ich mag ihn so sehr, ich schätze ihn nicht mehr, aber ich krieg es nicht über<br />

mich gebracht." Also bei solchen Entscheidungen hilft es doch gewaltig, sich auf einen<br />

Grundwert zu besinnen.<br />

Rolf van Dick: Der Wert hier wäre dann eben künstlerische Qualität des Gesamtprogramms<br />

steht über allem.<br />

Oliver Reese: Absolut.<br />

Rolf van Dick: Kommunizieren Sie das auch an Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, also<br />

wissen die das?<br />

Oliver Reese: Ja, das tue ich. Das wissen die. Manchmal allerdings finde ich, dass das<br />

Theater auch vorleben muss – also ich breche jetzt die gerade eben aufgestellte Regel –<br />

manchmal muss das Theater vielleicht auch vorleben, dass es besonders schwierigen<br />

Menschen, die möglicherweise auch eine Erschwernis im Betrieb sein können; aber dann<br />

muss so eine Einrichtung wie die unsere finde ich auch ermöglichen, dass man mit Menschen<br />

arbeitet, die in einem anderen Kontext vermutlich nicht engagiert würden. Also Menschen,<br />

die labiler sind, gefährdeter sind, teilweise bestimmten Süchten anhängen, also: ja, es gibt am<br />

Theater wahrscheinlich mehr Alkoholiker als in anderen Bereichen. Es gibt sehr empfindsame<br />

Menschen, mit denen man vorsichtiger umgehen muss, als es einem normalen Betriebsablauf<br />

vielleicht gut täte. Trotzdem finde ich an solchen Stellen auch wichtig zu sagen, wir sind eben<br />

keine Versicherungsgesellschaft, wo jeder als Beamter schön funktionieren muss. Wir sind<br />

ein künstlerischer Betrieb und wir müssen auch ermöglichen, dass gefährdete Leute noch<br />

immer arbeiten können.<br />

Rolf van Dick: Also wäre so ein Wert wie Solidarität, oder so etwas, oder?<br />

Oliver Reese: Ja.

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