Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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habe. Wenn der nicht zuhören kann, das wäre ein Indiz. Wenn der auf andere nicht<br />
angewiesen ist, oder glaubt nicht angewiesen zu sein, kann er vielleicht Erdteile erobern. Wo<br />
ich auch meine Zweifel habe, ob so ein Dschingis Khan nur durch Angst vor seinen<br />
Sanktionen... Das glaube ich auch nicht. Der musste auch seine Reiter irgendwie begeistern.<br />
Rolf van Dick: Glauben Sie, aktuelle Gallup Umfragen zeigen, nur noch ein Viertel der<br />
Mitarbeiter sind zufrieden mit ihrem Job allgemein. Glauben Sie, wir haben heute mehr<br />
schlechte Manager in Unternehmen oder vielleicht auch in der Politik, glauben Sie insgesamt<br />
hat sich in den letzten vierzig, fünfzig Jahren was verändert?<br />
Norbert Blüm: Ja.<br />
Rolf van Dick: Woran liegt das?<br />
Norbert Blüm: Ja, da muss ich jetzt den Vorspann natürlich machen. Alle alten Leute, zu<br />
denen ich gehöre, sagen „früher war alles besser“. Schon meine Großmutter hat gesagt, dass<br />
die Kinder früher braver, sauberer und frommer waren. Unter diesem Vorbehalt, dass ich jetzt<br />
unter dieser ‚Alterskrankheit’... den Beweis meiner ‚Alterskrankheit’, gleich meiner<br />
Voreingenommenheit, liefere, muss ich sagen, in der Tat hat sich Wirtschaft reduziert auf das<br />
Geld. Wir haben es mit einer Verwirtschaftung der Wirtschaft zu tun. Das meine ich jetzt...<br />
das ist kein Paradox.<br />
Rolf van Dick: Aber ist das nur in der Führungsebene so?<br />
Norbert Blüm: Nein, das ist die gesamte Wirtschaft. Wir werden ja – das versuche ich darin<br />
[zeigt auf sein Buch] zu zeigen – konditioniert als Schnäppchenjäger. Der homo oeconomicus<br />
ist das Leitbild dafür. Da kannst du Nobelpreise kriegen. Der Becker hat den Nobelpreis<br />
bekommen für die Theorie – muss ja für einen Psychologen sehr interessant sein – für die<br />
Primitiv-Theorie „Der Mensch ist nichts als ein Maximierer seiner Vorteile“. Eine Theorie,<br />
von der ich glaube dass sie schon im Neandertal nicht gestimmt hat. Da wären wir nämlich<br />
erfroren, jedenfalls die Kinder wären erfroren. Also wie auch immer – ich glaube, dass wir es<br />
mit einer Verengung zu tun haben. Mit einer Fokussierung – so heißt das glaube ich heute, auf<br />
Geld. Der Erfolg der Wirtschaft wird an Geld gemessen. Erfolg des Managers wird an Cash<br />
gemessen. Das ist etwas anderes wie Gewinn. Gewinn ist eine Restgröße. Da sind die<br />
Abschreibungen bereits abgezogen. Also, da ist das Überleben, die Nachhaltigkeit, ein<br />
Rechenfaktor. Nehme ich die Abschreibung, reduziert den Gewinn, damit Investitionen,<br />
Ersatzinvestitionen... bei Cash zählt nur die aktuelle Gewinnmarge. Ich habe hier zum Tag...<br />
da gab es so einen Kulturtag damals in Bonn, da hat der Zumwinkel über<br />
Managementmethoden referiert. Und unter dem Beifall der sehr bewunderungsbedürftigen<br />
Zuhörer hat er gesagt, wenn in seinem Vorstand einer zu lang redet, unterbricht er ihn und<br />
sagt „können Sie das mal in Euro und Cent ausdrücken?“. Alles hat gelacht – ich fand da<br />
nichts zum Lachen. Das ist in der Tat so – was sich nicht in Geld ausdrücken lässt, ist nichts.<br />
Und das halte ich für eine große Verwechslung des Unternehmens, denn das ist ein<br />
Personalverbund, und seine Leistungskraft hängt auch von Motivation ab. Ich glaube nicht,<br />
dass Geld die herausragende Motivation des Menschen ist. Ich glaube, dass die größeren<br />
Kulturleistungen... und ja, der Kolumbus - für Geld hätte er wahrscheinlich Amerika nicht<br />
entdeckt.<br />
Rolf van Dick: Das ist sozusagen die Frage, was motiviert uns? Der Vorstandsvorsitzende<br />
wird daran gemessen und bekommt seine Boni daran was die Aktienkurse…