Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Rolf van Dick: Wie sind Sie zu mehr Erkenntnis gelangt? Wer hat Sie als Führungskräfte<br />
oder Vorbilder beeinflusst? Waren das die Anthroposophen oder?<br />
Götz Werner: Die Universität, die Universität des Lebens. (lacht) Jeder Mensch geht in die<br />
Universität des Lebens. Und ich behaupte jetzt einfach mal, wenn man aufmerksam genug,<br />
wenn es einem gelingen könnte, aufmerksam genug in die Universität des Lebens zu gehen,<br />
dann bräuchte man in die anderen Universitäten nicht mehr hingehen. Also man wird belehrt<br />
sozusagen durch das Leben. Und wenn man dann das beobachtet und sieht, wo die<br />
Schwierigkeiten entstehen, dann entstehen die entsprechenden Fragen. Jetzt aber ganz konkret<br />
ist es mir so gegangen, ich habe ja das Unternehmen von null an aufgebaut und das war<br />
natürlich dann am Anfang natürlich sehr mein ganz persönlicher Willensimpuls, habe gesagt,<br />
wo es langgeht, war ja auch der Gründer und habe ja sozusagen das Kind geboren. Und dann<br />
haben natürlich die Mitarbeiter, die dann später dazu kamen, die haben mich immer gefragt,<br />
immer gefragt. Es wurden immer mehr Mitarbeiter, immer mehr Filialen, immer mehr Fragen,<br />
immer mehr Fragen, aber der Tag blieb immer nur gleich lang. (lacht) Und irgendwann habe<br />
ich gemerkt, halt mal, so geht es nicht weiter. Es kann nicht sein, dass ich ständig und<br />
dauernd für jeden erreichbar sein muss. Und dann hatte ich zwei Beobachtungen gemacht –<br />
jetzt kommen die Beobachtungen. Die erste Beobachtung war – die hat mich schon sehr viel<br />
weiter gebracht -, dass ich gemerkt habe, dass in jeder Frage ja schon die Antwort drin ist.<br />
Und dass die, der fragt, auch weiß. Dass sie also gar nicht von dem Mitarbeiter gefragt<br />
werden, wenn der nicht die Antwort schon weiß. Also das ist eine interessante Beobachtung,<br />
das kann man mal selbst verifizieren. Als ich das so erkannt habe, habe ich gedacht, naja,<br />
dann fragen die mich ja nur, weil sie wissen wollen, was ich auch dazu sage, um dann später<br />
sagen zu können: Sie waren doch auch einverstanden. Und dann habe ich die Idee gehabt, das<br />
war so eine richtige Idee aus dieser Problematik heraus, dass ich dann gesagt habe: Aha, jetzt<br />
stellst du das auf den Kopf. Immer wenn dich jemand fragt, gibst du keine Antwort, sondern<br />
stellst drei zusätzliche Fragen. Das müssen Sie sich ein bisschen antrainieren, das war ganz<br />
spannend, aber das ging viel leichter als ich dachte. Fragt mich jemand und dann nicht gleich<br />
zu sagen: Das machen wir so und so, ist doch logisch, sondern zu sagen: Ah ja, haben Sie sich<br />
schon mal überlegt, da müsste man das noch untersuchen und dann fragen Sie doch mal dort<br />
nach. Also was auch ein bisschen Arbeit macht. Und dann aber auch so hartnäckig sein, zehn<br />
Tage später fragen: Haben Sie dort nachgefragt? Dann war es überraschend schnell, dass mich<br />
keiner mehr gefragt hat. Die Hypothese ist dann dadurch sozusagen verifiziert worden, dass<br />
die ja schon eine Antwort hatten. Die haben natürlich gleich gemerkt, hoppla, wenn du zu<br />
Herrn Werner gehst, da bohrt er dir dein Problem noch auf, wo du meinst, du hättest doch<br />
schon die Lösung. Und das hat dann mir enorm viel Freiheit gegeben. Und dann hat keiner<br />
mehr gefragt.<br />
Rolf van Dick: Hört sich simpel an.<br />
Götz Werner: Ja, hört sich simpel an, aber man muss es ausprobieren, es ist wirklich so, die<br />
Menschen fragen einen erst, noch dazu wenn man Vorgesetzter ist, wenn man sozusagen die<br />
Macht hat, fragen einen erst, wenn sie die Antwort schon kennen.<br />
Rolf van Dick: Trotzdem noch mal meine Frage: Gibt es Menschen, die Sie benennen<br />
können, die Sie in irgendeiner Weise beeinflusst haben?<br />
Götz Werner: Gut, das ist natürlich unsere ganze Kultur. Also wenn man gerade an die<br />
Klassiker denkt, wo man viel finden kann, ist in Faust, wo man auch sehr viel finden kann, ist<br />
bei Schiller, bei den ästhetischen Briefen, also für mich ganz persönlich. Und wenn Sie sich<br />
mit Faust und Schiller beschäftigen, dann kommen Sie automatisch in die Anthroposophie,<br />
weil es ja eine Fortführung davon ist, das ist immer diese Art, die Welt umzudenken, immer