Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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weiß nicht woher das kommt, davor war ich schon immer sehr nervös, aber dann überhaupt<br />
nicht mehr. Und ich denke Leo Karl Gerhards, der ein sehr sanfter Intendant war, wird mich<br />
sicherlich auch beeinflusst haben. Ich habe die Passion gesehen, das ist für mich ganz wichtig,<br />
gerade im Theater erwarte ich Mitarbeiter, die nicht auf die Uhr schauen, die Arbeit machen<br />
und zwar mit einer gewissen Lust machen, die auch abends in Vorstellungen gehen und nicht<br />
nur in die Premiere, ähnlich wie ich, die Weiterentwicklung einer Produktion verfolgen . Also<br />
diesen Schuss Wahnsinn bei Mitarbeitern erwarte ich – wir sind kein bürokratischer Laden<br />
hier, ohne das geht es hier nicht.<br />
Rolf van Dick: Sie haben gerade gesagt, wenn Aufführungen mal nicht so ankommen wie<br />
man sich das erhofft oder erwartet hat, dann bereiten Sie das auf. Wie machen Sie das<br />
konkret? Holen Sie dann nochmal alle zusammen, oder holen sie die Kern-Mannschaft<br />
zusammen, mit denen man dann mal durchgeht, was können wir beim nächsten Mal besser<br />
machen – es gibt ja kein nächstes Mal für eine konkrete Aufführung in der Zusammensetzung<br />
vermutlich.<br />
Bernd Loebe: Also da kritisiere ich mich selbst ein bisschen, weil man das eigentlich<br />
kategorisch bei jeder Produktion machen müsste. Als wir hier vor zehn oder elf Jahren<br />
anfingen in der Struktur, die jetzt vorhanden ist – es gab ja ganz wenige Wechsel – haben wir<br />
das auch so gemacht. Das ist jetzt ein bisschen aus dem Ruder gelaufen oder in Vergessenheit<br />
geraten. Ich selbst, da ich ja auch lange Jahre Journalist war und das kritisch verfolgt habe,<br />
maße mir an, durchaus kritisch auch auf die Dinge zu schauen. Man bespricht sich mit zwei<br />
drei Freunden, mit Menschen, die gar nicht hier arbeiten, z.T. Journalisten waren. Man<br />
bespricht sich mit dem Kern, sicherlich mit dem Generalmusikdirektor, sicherlich auch mit<br />
Mitarbeitern im künstlerischen Betriebsbüro und auch mit dem ein- oder anderen<br />
Dramaturgen. Dies geschieht aber nun nicht in Sitzungen, in denen wir brüten sondern en<br />
passent. Und vielleicht ist das ein Defizit, den wir hier haben. Dennoch wage ich zu<br />
behaupten, dass - ich bin jetzt 60 geworden und ich hab fast 7000 Vorstellungen in meinem<br />
Leben gesehen, ich schreibe mir das auf seit 1968 mit der Schreibmaschine, die ich jetzt Gott<br />
sei Dank wieder gefunden habe, ich dachte es gibt gar keine mehr. Das ist schon ein Moment<br />
der Reflexion – ich hab das ja oft erlebt, auch schon als Schüler – aufzuschreiben bedeutet ja<br />
automatisch man denkt über etwas nach und es bleibt vielleicht sogar etwas hängen. Also<br />
diese kritische Betrachtung ist bei mir geblieben. Sie ist aber nicht so geordnet oder<br />
selbstverständlich, wie man das vielleicht erwarten würde.<br />
Rolf van Dick: Wie ist das denn umgekehrt, ich meine, vermutlich wird es eine<br />
Premierenfeier geben nach einer Aufführung, aber zelebrieren Sie den Erfolg auch mit Ihren<br />
engen Mitarbeitern ganz bewusst?<br />
Bernd Loebe: Ich bin eigentlich derjenige, der bei sog. riesen Erfolgen sagt „Leute, bitte<br />
wieder zurück zur Normalität“ und andersherum bei sog. riesen Flops, die wir hier Gott sei<br />
Dank nicht so häufig haben, sagt „so schlecht war es vielleicht doch nicht“. Also ich glaube<br />
die Extreme versuche ich ein bisschen auszublenden. Wir haben hier eine sehr schöne<br />
Premierenfeier – ich behaupte mal die schönste in ganz Deutschland – weil unser Publikum<br />
dableiben kann. Es wird sogar warm bekocht, es gibt ein wunderbares warmes Buffet – da<br />
geht kaum einer nach Hause nach einer Premiere. Und wir zelebrieren ein bisschen mehr auf<br />
dem sog. Holzfoyer mit dem Produktionsteam, mit den Sängern, mit den Managern, die<br />
angereist sind, mit den Freunden des Hauses, des Kuratoriums, eventuell mit Repräsentanten<br />
der Stadt Frankfurt. Da wird schon die Premiere bei uns grundsätzlich in einem sehr schönen<br />
Ambiente gefeiert, aber es wird gefeiert, dass ein Projekt, das man zwei, drei Jahre lang<br />
vorbereitet hat, geboren wurde. Ich in meiner Premierenrede, die da immer stattfinden muss,