Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Nichteinmischung eine ganz klare Parteinahme für die, die die Waffen haben. So und insofern<br />
ist das eine Frage - Stichwort Werte in der Politik - dass man immer noch, ja, einfach über die<br />
Frage nachdenken muss „Könnte es sein, dass wir aufgrund anderer Umstände etwas<br />
verändern müssen?“. So und ja also da gibt es dann durchaus Punkte, da muss man im<br />
Zweifel auch mal bereit sein Gegenwind auszuhalten. Wenn ich momentan nach Mexiko und<br />
Afghanistan blicke, dann stelle ich mir die Frage, ob man nicht alle Drogen legalisieren muss<br />
und ob nicht sozusagen die unweigerlichen negativen Effekte davon durch unglaublich viele<br />
positive Effekte auf anderen Seiten aufgewogen werden. Wenn ich… so und dann weiß ich,<br />
dass andere auch über so eine Frage nachdenken und ich werde aber natürlich nicht mich<br />
morgen auf den Marktplatz stellen und sagen „Legalisierung aller Drogen“, weil ich weiß,<br />
was die Bildzeitung drei Wochen vor der Wahl daraus machen würde. Aber dass man<br />
zumindest mal über die Frage nachdenkt „Wo führt eigentlich geistige Unbeweglichkeit<br />
hin?“. Wobei die Frage von Drogenlegalisierung jetzt für einen Grünen nicht so schwer zu<br />
denken ist wie für einen Schwarzen.<br />
Rolf van Dick: Als Petra Roth damit vor 15 Jahren in Frankfurt angefangen hatte…<br />
Tarek Al-Wazir: …Petra Roth hat damit nicht angefangen. Wir haben damit angefangen.<br />
Wir haben erst die SPD dazu gezwungen und Petra Roth hat es übernommen, also so viel<br />
Wahrheitsliebe muss sein. Ich kenne die offene Drogen Szene auf der Taunusanlage noch,<br />
aber das sind so Punkte, wo man überlegen muss, wie kriegt man eine gesellschaftliche<br />
Mehrheit hin, wie sorgt man erst dafür, dass ein Problembewusstsein entsteht? Aber das sind<br />
so Beispiele, wo ich glaube, dass wirkliche Führungspersonen dann auch bereit sein müssen,<br />
sich mit ihren eigenen Leuten anzulegen. Also, ein Helmut Kohl, der 1990 im Frühjahr auf<br />
den Tag der Vertriebenen geht und sagt die Oder-Neiße-Grenze ist endgültig. Das war nicht<br />
mehr ganz so mutig wie Willy Brandt 20 Jahre vorher, aber für Helmut Kohl war es wichtig.<br />
Es war ein schwieriger Schritt und es war in dem Punkt auch mutig das so klar auszusprechen<br />
und nicht rumzuschwurgeln. Und die sozusagen 20 Jahre früher gedacht ein Willy Brandt, der<br />
alles auf eine Karte gesetzt hat und gesagt hat so, jetzt muss dieses Volk entscheiden, ja,<br />
machen wir Verträge mit dem Osten, gibt es eine Art Verständigungspolitik oder wird das<br />
immer konfrontativer? Heute sagt jeder tolle Sache. Damals war es, glaube ich, eine<br />
Entscheidung am Ende bei einer Bundestagswahl mit 90 Prozent Wahlbeteiligung von 51 zu<br />
49 und es ist nicht so, dass es für die SPD schmerzfrei gewesen wäre.<br />
Rolf van Dick: Nee, überhaupt nicht. Ich meine, das Gleiche hatten wir mit der Agenda 2010<br />
sozusagen bei einem Thema, was jetzt sozusagen einem Grünen Politiker auch nicht<br />
unbedingt im Kern ist. Aber jetzt kann ich dann vielleicht zu der wirklich letzten Frage<br />
kommen: Warum funktioniert Führung so oft nicht? Und in der Politik habe ich manchmal<br />
das Gefühl Führungskräfte, also Kanzler, Minister und so weiter, trauen sich eben nicht,<br />
genau das zu tun, weil sie, so ist die öffentliche Wahrnehmung, auf die nächste Wahl schielen<br />
und dann doch lieber einen faulen Kompromiss eingehen.<br />
Tarek Al-Wazir: (zögernd) Ja…<br />
Rolf van Dick: Oder Kompromisse eingehen. Nehmen wir das Wort gar nicht, faul.<br />
Tarek Al-Wazir: Politik ist die Kunst des Kompromisses, ja, weil, das sage ich auch jedem,<br />
der mir immer in Besuchergruppen im Landtag erklärt „Nun einigt euch doch mal auf das<br />
Richtige und macht es dann zusammen“. Ja, was ist denn das Richtige? So, deswegen gibt es<br />
unterschiedliche Meinungen, es gibt unterschiedliche Interessen. Am Ende sozusagen muss es<br />
Kompromisse geben, alles andere wäre ja Diktatur und insofern glaube ich, warum