Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Andreas Leonhardt: Ich denke, dass es unterschiedliche Faktoren dafür gibt. Zum einen ist<br />
es natürlich schwer in einem normalen Geschäft, in dem es sehr stressig ist und in dem viele<br />
Termine drücken, all das umzusetzen, was ich jetzt aufgeführt habe. Oftmals geht es mir auch<br />
so, dass Gespräche, die ich noch führen möchte, hinten runter fallen, weil in manchen<br />
Momenten andere Termine erstmal dringlicher erscheinen. Das heißt, es ist eigentlich ein<br />
Prozess, wo man sich jeden morgen neu erinnern muss, wie man führen möchte. Das ist nicht<br />
ganz einfach. Zum anderen herrscht grade bei uns im Bankenbereich ein etwas anderes<br />
klassiches Führungsbild, wo Führungskräfte der Meinung sind, dass sie mit finanziellen<br />
Anreizen den Mitarbeiter schon voll umfänglich einfangen können. Ich glaube, das ist eine<br />
der großen Fehleinschätzungen. Da Mitarbeiter, die ich finanzielle motiviere, sich sehr schnell<br />
an den neuen Zustand des größeren Einkommens gewöhnen, aber die täglichen Probleme, mit<br />
denen sie konfrontiert werden, dadurch nicht gelöst sind. Das heißt, nach einer gewissen<br />
Phase von zwei oder drei Monaten ist der Mitarbeiter wieder genauso unzufrieden, ob er jetzt<br />
einen Betrag X mehr bekommt oder nicht. Das liegt daran, dass er sich trotzdem täglich wider<br />
über die selben Dinge ärgert. Ich glaube, da muss man anfangen. Man muss versuchen die<br />
Arbeitsatmosphäre so zu schaffen, dass der Mitarbeiter ein gewisses Wohlfühl- Gefühl hat.<br />
Dann ist er sogar bereit schneller einzusehen, dass sein Gehalt nicht ganz so stark ansteigt,<br />
wie es in der Branche üblich ist, weil es dem Unternehmen nicht gut geht.<br />
Rolf van Dick: Wie kommt es, dass solche einfachen, wichtigen Dinge sich noch nicht<br />
durchgesetzt haben? Weil alle heutigen Bankvorstände waren ja selber mal Abteilungs- oder<br />
Gruppenleiter, Bereichsvorstände usw. Sie haben also auf den verschiedenen Ebenen<br />
eigentlich die Chance, Mitarbeiter kennenzulernen und wirklich zu wissen, was sie motiviert,<br />
außer finanziellen Aspekten.<br />
Andreas Leonhardt: Wir lernen das ja nirgendwo. An der Uni gibt es kein Lernfach, wo<br />
Führung gelehrt wird. Ich denke, dass vieles durch das Umfeld und die Laufbahn geprägt ist.<br />
Vielleicht sind andere Laufbahnen anders verlaufen, die Führungskräfte haben andere<br />
Erfahrungen gemacht, vielleicht sind sie sogar in einer anderen Zeit in einem Unternehmen<br />
groß geworden. Außerdem muss man auch sagen, Führungskräfte haben immer noch ein<br />
Problem damit, sich selbst Hilfe zu holen. Ich habe vor drei Jahren angefangen, mich coachen<br />
zu lassen, was mir bei meiner täglichen Führung der Mitarbeiter auch sehr viel bringt. Ich bin<br />
der Meinung, wir sind im Prinzip wie Spitzensportler. Jeder Spitzensportler hat einen Trainer,<br />
der ihm seine Schwachstellen aufzeigt. Die Grundeinstellung muss ja stimmen und ein<br />
gewisses Leistungsvermögen muss da sein, aber es gibt bestimmt Techniken, damit kannst du<br />
es noch ein Stück verbessern und das ist eine sehr wichtige Sache. Ich muss sagen, ich habe<br />
dieses Coaching nicht bereut.<br />
Rolf van Dick: Gab es in deiner Zeit bei KPMG oder bei Mainfirst institutionalisierte<br />
Prozesse, die das ermöglicht haben? Gab es dort Führungskräfte- Training oder gab es dort<br />
Angebote für Coaching?<br />
Andreas Leonhardt: Nein, überhaupt nicht. Das beruht einzig und allein auf einem privaten<br />
Interesse daran, bzw. der Möglichkeit, die ich gesehen habe, das Leistungsvermögen meiner<br />
Mitarbeiter noch ein Stück besser auszureizen. Das ist es, worum es mir als Vorgesetzen geht.<br />
Dem Mitarbeiter über einen sehr langen Zeitraum, nicht nur kurzfristig, eine hohe<br />
Leistungsbereitschaft abzufordern und eine gute Performance zu erzielen. Ich habe mir<br />
damals gesagt, dass es dafür vielleicht ganz gut wäre, einfach mal einen Coach zu engagieren.<br />
Mir hat das damals nach den ersten Stunden so gut gefallen, dass ich auch jetzt noch mit einer<br />
gewissen Regelmäßigkeit, zwei oder drei mal im Jahr für ein paar Stunden, auffrische, was es<br />
für neue Techniken und Entwicklungen gibt.