Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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unterschiedlichen Background, unterschiedlichen Rolle, in der ich als einfache Athletin, Gott<br />
sei Dank den Wettkampf schon hinter mir hatte und er schon in einer gewissen<br />
Führungsfunktion war – überhaupt erst einmal mit der Situation für sich selber klarkommen<br />
musste. Und bei ihm war eben auch die Betroffenheit da, wenn wir uns unterhalten haben<br />
über so Situationen, es gab noch Bereiche, wo über Lautsprecher Musik gespielt wurde. Aber<br />
kann man da jetzt Trauermusik machen? Kann man gar nichts mehr spielen? Was macht man<br />
in so einer Situation, wo man 10000 Athletinnen und Athleten hat, die man ja auch nicht so in<br />
die absolute Verzweiflung stürzen kann, wo sowieso die Verzweiflung und das alles direkt<br />
vor der Haustür stattfindet. Also unter dem Gesichtspunkt Führung habe ich da in der<br />
Situation oder jetzt auch im Nachhinein über die konkreten zwei, drei Tage bis dann auch zur<br />
Trauerfeier nicht nachgedacht bisher. Was hinterher passiert ist, oder sagen wir einmal, was<br />
hinterher nicht passiert ist, das ist schon ein Teil, wo man, ich sage es wieder in<br />
Anführungszeichen über „mangelnde Führung“ oder „mangelnden sinnvollen Umgang“ mit<br />
der entstandenen Situation sprechen kann. Aber auch da nochmal ein geschichtlicher<br />
Rückblick: Posttraumatische Belastungsstörung oder überhaupt, dass ein Trauma entsteht<br />
nicht bei denen, deren Bruder getötet wird, oder an denen die Kugel gerade vorbei fliegt,<br />
sondern auch bei denen, die vielleicht 300 Meter entfernt eigentlich ihr größtes Erlebnis,<br />
nämlich die Olympischen Sommerspiele, erleben. Das war damals nicht in den Köpfen. Das<br />
kam ja dann erst so nach und nach. Wir schreiben das Jahr 1972, Beginn der Konfrontation<br />
mit Terrorismus, noch gar nicht Beginn des Umgangs damit. Also insofern, was konnten<br />
diejenigen, die dann vielleicht auch Dinge im Nachhinein hätten auffangen müssen als<br />
ehrenamtliche Präsidiumsmitglieder zum Beispiel vom deutschen Leichtathletikverband oder<br />
innerhalb des NOK, was konnten die damals wissen? Was konnten die ahnen? Also was mir<br />
im Nachhinein gefehlt hat, das war, dass man überhaupt noch einmal dann darüber<br />
gesprochen hat in der Art und Weise: „Wir haben miteinander ein Problem, wir haben etwas<br />
erlebt, wo jeder da erst einmal versucht hat, da mit sich selber irgendwie mit umzugehen.“<br />
Manche schieben so etwas ja dann weg, verpacken es und wollen nicht mehr daran rühren.<br />
Das habe ich nie gekonnt, also bei mir ist das dann erst einmal präsent und muss verarbeitet<br />
werden und kommt dann auch immer wieder hoch. Und damit war man eigentlich völlig<br />
alleine gelassen. Da hat es keine Nacharbeit, von psychologischer Betreuung gar nicht zu<br />
reden, gegeben. Aber nochmal: Das war damals auch noch nicht die Zeit. Ich hätte mir nur<br />
gewünscht, dass ein paar mehr Menschen auch im Bereich der Funktionärinnen und<br />
Funktionäre da gewesen wären, sie sagen: „Lass uns einfach einmal darüber reden.“ Die<br />
einfach einmal fragen, selbst wenn dann eine blöde Reaktion kommt, dass da jemand<br />
vielleicht in Tränen ausbricht, wenn er gefragt wird. Aber auch damit kann man ja dann<br />
umgehen und man weiß, da steckt noch etwas drin. Ich glaube, da sind wir heute weiter. Da<br />
würde man heute von vornherein völlig anders mit umgehen. Das war halt schwierig, dass wir<br />
das damals nicht gemacht haben und ich glaube, das tragen einige noch mit sich herum. Wir<br />
hatten letztes Jahr im Sommer 2012 40 Jahre Olympische Spiele und da hatten wir uns bei<br />
den deutschen Leichtathletikmeisterschaften in Wattenscheid getroffen mit Ehemaligen aus<br />
der Ost-Olympiamannschaft, also DDR, und von der Bundesrepublik. Und da gab es auch die<br />
Diskussion im Vorfeld der Olympischen Spiele von München, macht man eine Trauerminute<br />
dort? Und da hat es dann unter uns Ehemaligen durchaus intensive Diskussionen darüber<br />
gegeben: „Wie stehen wir denn eigentlich dazu?“ Wir haben dann auch einen Aufruf gemacht<br />
im Nachhinein, also nach dem Treffen zwei Wochen später in Wattenscheid, dass wir und für<br />
eine Trauerminute einsetzen. Da hat es erst einmal so Diskussionen gegeben: „Warum hat<br />
eigentlich damals keiner mit uns darüber geredet? Das wäre eigentlich besser gewesen, man<br />
hätte die Möglichkeit gehabt, sich auszutauschen und mit irgendwem zu sprechen.“. Aber,<br />
wie gesagt, das war damals eine andere Zeit. Heute würde man sehen, dass natürlich auch<br />
diejenigen, und gerade wir als Gastgebermannschaft, das waren ja unsere Gäste, das ist in