Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Rolf van Dick: Die letzte Frage ist die Frage nach Werten: Welche Rolle spielen Werte in<br />
unserer Gesellschaft? Werden die wichtiger, weniger wichtig?<br />
Salomon Korn: Also ich glaube nach wie vor, dass es einen Wert gibt, der immer gültig war<br />
und immer gültig bleibt und das ist das biblische Gebot „Liebe Deinen Nächsten, denn er ist<br />
wie Du.“, so ist die korrekte Übersetzung aus dem Hebräischen. Wenn man sozusagen die<br />
Nächsten so achtet oder schätzt, wie man sich selbst schätzt oder einschätzt, was übrigens<br />
ganz schwierig ist, weil man schlecht aus sich heraustreten kann, um sich sozusagen objektiv<br />
beurteilen zu können. Aber wenn man ihn zumindest als gleichwertiges, wichtiges Wesen<br />
betrachtet mit seinen Stärken und seinen Schwächen, dann funktioniert es. Dann liebt man<br />
den nächsten wie sich selbst oder weil er eben ist wie man selbst mit allen Schwächen und mit<br />
allen Defiziten, die man sich selbst gegenüber oft gar nicht eingestehen möchte, um eben das<br />
Idealbild seiner eigenen Persönlichkeit nicht zu gefährden. Das ist ein etwas komplizierter<br />
Prozess, aber ich glaube dieser Wert „Liebe Deinen Nächsten, denn er ist wie Du.“ steht über<br />
allen anderen Werten und wenn der befolgt wird, dann funktioniert eine Gemeinschaft sowohl<br />
auf der Ebene der Kleinfamilie als auch im größeren Verbund als auch in der Gesellschaft<br />
insgesamt. Das hört sich jetzt sehr einfach an, aber es ist nun mal ein altes, bewährtes Prinzip,<br />
über 3000 Jahre alt und ich glaube daran lässt sich nicht viel rütteln und daran lässt sich nicht<br />
viel aussetzen, es hat sich bewährt.<br />
Rolf van Dick: Nehmen Sie wahr, dass diesen Wert anzustreben leichter ist, zum Beispiel,<br />
wenn Sie sich im Kontext der Jüdischen Gemeinde bewegen im Vergleich zu Ihren<br />
Tätigkeiten im ZDF Fernsehrat oder wenn Sie als Architekt unterwegs sind? Also ist dort, wo<br />
man sich auf einem religiösen Fundament bewegt, dieser Wert salienter, wichtiger und<br />
deswegen auch einfacher umzusetzen oder ist es genauso schwierig, hier wie dort?<br />
Salomon Korn: Nein, es ist in der Jüdischen Gemeinschaft etwas leichter umzusetzen, weil<br />
die Jüdische Gemeinschaft in gewisser Weise eine Schicksalsgemeinschaft ist und eine<br />
Schicksalsgemeinschaft teilt ja ähnliche Erfahrungen, ähnliche Werte und da sind bestimmte<br />
Dinge einfach sozusagen schon vorhanden. Da genügt ein Wort, da genügt manchmal ein<br />
Blick, da genügt eine Andeutung und schon weiß mein Gegenüber was gemeint ist. Da muss<br />
ich gar nicht viele Worte machen, was ich zum Beispiel auf einer anderen Ebene dann sehr<br />
wohl machen muss und dann der Kontext vielleicht etwas komplizierter zu erklären oder<br />
herzustellen ist. Es ist in der Tat einfacher, wenn man sich sozusagen innerhalb seiner<br />
Herkunftsgruppe bewegt und sozusagen Erfahrungswerte teilt, als wenn Sie sich in einer<br />
Gruppe bewegen, wo Sie sozusagen sachliche Werte teilen und die dann sozusagen<br />
verbalisieren müssen, begründen müssen und die weniger auf der Ebene der Emotionalität als<br />
auf der Ebene der Rationalität sich befinden.<br />
Rolf van Dick: Dankeschön, Herr Korn.<br />
Salomon Korn: (nickt).