Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Schluss ging es ja auch ohne. Aber erst haben wir mal probiert, ob wir vom Staat Geld<br />
abholen können.<br />
Rolf van Dick: Wie war das zu Ihrer Zeit? Wie lang war die durchschnittliche Verweildauer<br />
eines Opelvorstandsvorsitzenden? Hat sich da tatsächlich, wenn man es nachrechnen würde…<br />
Norbert Blüm: Ja ich glaube, natürlich kamen in der Nachkriegszeit auch die Amis. Die<br />
haben auch gewechselt. Aber jetzt so im… ich kann das jetzt nicht empirisch beweisen aber<br />
meiner Schätzung nach waren das längere Strecken. Also ich habe in meiner 7-jährigen –ist ja<br />
auch nicht so lang- Opelzeit habe ich zwei gehabt. Und im letzten… auch nur ein Jahr, weil<br />
ich gegangen bin, nicht er. Also muss der andere mindestens 6 Jahre da gewesen sein. Weiß<br />
ich jetzt nicht, kann ich jetzt nicht verifizieren.<br />
Rolf van Dick: Da fehlen sozusagen auch an der Spitze die Figuren, mit denen man sich<br />
identifizieren kann…<br />
Norbert Blüm: Ja, ich weiß die Namen alle noch. Der eine hieß Sundick, der andere Dölling.<br />
Also ich weiß die alle noch. Ich bin sicher, die 15 weiß keiner mehr aufzusagen bei Opel,<br />
selbst wenn man 50 Jahre da… 50 Jahre bei Opel arbeiten, wo gibt’s denn das noch? Ich<br />
meine, früher, da war das goldene Firmenjubiläum, in jeder Werksausgabe der Werkspost<br />
sind die mit großem Bild vorgeführt worden, und selbst die größten Rowdies und Stänkerer<br />
im Werkzeugbau, wenn sie 50 Jahre dabei waren, haben einen Fresskorb bekommen, und<br />
dann kam der Chef höchstpersönlich, und da hat der große Aufständische, war dann ganz<br />
stolz wenn er die Hand geschüttelt hat und Urkunde, weiß ich noch, da wurde ‚Betriebstreue’,<br />
stand da, das weiß ich noch. Was da genau stand, weiß ich nicht, aber das es ‚50 Jahre Treue’<br />
hieß, das ist mir schon damals aufgefallen, dass das Wort ‚Treue’… Etwas, was aus dem<br />
Sprachgebrauch gar nicht wirtschaftlichen Boden hat. Und da war der stolz! Und heute, wenn<br />
der 50 Jahre… da müssten sie ihm eigentlich nach der neuen Unternehmensphilosophie den<br />
Führerschein entziehen – der ist ja offensichtlich verkalkt, wenn er 50 Jahre in einer Firma ist.<br />
Rolf van Dick: Haben Sie da Hoffnung, dass sich das noch ändern kann? Bei dem<br />
demographischen Wandel und dem Fachkräftemangel, dass die wieder zurück kommen zur<br />
Wertschätzung der Arbeiter?<br />
Norbert Blüm: Ja, ich glaube dass Erfahrung wieder wichtiger wird. Das ist auch<br />
demographischer Wandel. Und wir halten die Schnelllebigkeit der Veränderung ja auch nicht<br />
durch – das ist ja auch kontraproduktiv. Die durchschnittliche Absatzzeit japanischer<br />
Elektroprodukte beträgt sechs Monate. Dann kommt das nächste, was in der Mehrzahl der<br />
Fälle nur eine Variation ist. Also ist die Absatzzeit kürzer als die Planungs- und<br />
Vorbereitungszeit! Was dazu führt – alles größere Zusammenhänge! – dass das Eigentum an<br />
Wert verliert. Wir leasen, denn in diese Philosophie gehört nicht Besitzen, da gehört Mieten.<br />
Nur nichts Festes. Weder Ehepartner, noch Aktie. Das ist eine andere… und ich glaube, dass<br />
die Menschen sich gegen diese Schnelllebigkeit wehren werden. Weil sie ihrem<br />
Lebensrhythmus nicht entspricht. Ich glaube, dass es anthropologische Konstanten gibt. Bei<br />
so beliebigen Sachen wie wir werden nicht beliebig hoch bauen, nicht weil wir das technisch<br />
nicht können, sondern weil wir darin nicht wohnen wollen. Das glaube ich. Und diese<br />
Unterwasserstädte, die werden keine Einwohner… Wir sind in der Savanne Menschen<br />
geworden. Das hört sich ein bisschen magisch an, aber ich glaube dass es<br />
Verhaltensstabilisatoren gibt und dass wir das überdreht haben. Und übrigens sehen Sie das ja<br />
auch überall in der Welt, dass sich die Menschen wehren. Was ist denn in den arabischen<br />
Ländern passiert, was passiert jetzt in Griechenland? Die lassen sich nicht mehr alles gefallen.