Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
wahrscheinlich 18 oder 20 Jahre alt ist. Dann können Sie heute bereits sagen: Sie müssen 70<br />
oder 80 Jahre alt sein um sich überhaupt an andere Zeiten zu erinnern. Und das ist eben<br />
schwer zu verkraften. Und da ist auch wahrscheinlich viel zu viel von „…Gürtel enger<br />
schnallen,…“ und so weiter die Rede gewesen. Vor allem von unglaubhaften Ideen. Also<br />
wenn Sie unser Rentenproblem das auf uns zukommt glauben, mit einer Verrentungsalter mit<br />
67 lösen zu können. Dann ist das ein Irrtum und das spüren die Leute auch. Aber alle sagen<br />
Ihnen etwas Verkehrtes dazu. Dass man da also möglicherweise ganz andere Formen erfinden<br />
muss, dass man Leuten die Möglichkeit geben muss so lange zu arbeiten wie es ihnen Spaß<br />
macht. Aber dann nicht mit den Kürzungen die unser gegenwärtiges Rentensystem bringt und<br />
dergleichen. Und dass so etwas nicht in Gang kommt, weil immer alle Verbands- und<br />
Geschäftsführer auf sämtlichen Seiten sofort laut zu Schreien beginnen und vor allen Dingen<br />
anfangen den Untergang des Abendlandes zu prophezeien. Das macht also Führung schon<br />
sehr schwer. Es ist ganz billig zu sagen: Die Parteien tun da gar nichts oder tun zu wenig, weil<br />
es immer um den Machterhalt geht. Der Machterhalt heißt, wenn ich die Macht verliere oder<br />
wenn ich also die Regierungsverantwortung verliere, dann kann ich überhaupt nichts mehr in<br />
dem Sinn in dem ich es für richtig halte, bewerkstelligen. Das hat ja auch keinen Sinn. Also<br />
das ist ein Dilemma. Wahlen werden bei uns mit relativ kleinen Mehrheiten entschieden. Die<br />
kleinen Mehrheiten kann man mühelos in Bewegung setzen. Also auch die kleine eigene<br />
unpopuläre Politik. Und darum geschieht vielleicht auch das ein oder andere populäre zu<br />
wenig.<br />
Rolf van Dick: Ich bin bei meiner letzten Frage: Die Rolle nach Werten. Und Sie haben jetzt<br />
von einer Dynamisierung gesprochen, in der man ja eigentlich sagen sollte: Werte würden<br />
dem etwas entgegensetzen, weil sie Halt bieten. Und für Politiker oder Wirtschaftsführer wäre<br />
es gut auch Werte zu vertreten. Aber mir erscheint es, dass das jeder sagt. Aber es hört sich<br />
wie eine Hülse an.<br />
Roman Herzog: Sie werden vielleicht beobachtet haben, dass ich nur wenn es wirklich<br />
überhaupt nicht mehr anders geht, wenn ich also in einer Diskussion mit dem Rücken zur<br />
Wand stehe, das Wort Werte oder Grundwerte überhaupt in den Mund nehme. Woher kommt<br />
das? Nehmen Sie im Augenblick die Diskussion und das geistige Eigentum an? Ist das jetzt<br />
ein Wert oder ist das kein Wert? Das Verbot der Folter leuchtet absolut ein. Aber das ist im<br />
Augenblick jedenfalls nicht unser deutsches Problem. Und schon geht’s. Wenn Sie in<br />
Diskussionen draußen sind und sie reden über Grundwerte, dann sind aber garantiert nach<br />
zehn, zwölf Minuten bei der Abtreibung. Oder bei der Stammzellenforschung oder bei<br />
solchen Dingen. Aber nicht beim Alltag. Und deswegen bin ich eigentlich schon zufrieden<br />
wenn wir wieder partout reden. Wobei das Erste wirklich die Offenheit ist, die Transparenz<br />
ist. Und das Zweite das redliche Bemühen, dem Bürger zu verklickern worum es eigentlich<br />
bei der einzelnen Maßnahme geht. Das wird nach meinen Beobachtungen auch honoriert<br />
wenn der Bürger anderer Meinung ist. Er hat es wenigstens versucht. Und diese Dinge, also<br />
das Lügen bei uns zu ganzen Zweigen unserer Gesellschaft gehört. Wenn Sie eine Bilanz<br />
sehen die in der FRZ im Wirtschaftsportal steht. Dann wissen Sie doch genau wo gelogen<br />
wird oder zumindest gelogen werden kann. Und so ist es auch in vielen anderen Punkten. Das<br />
bei uns zum Beispiel die Lohnerhöhung prinzipiell nach dem Bruttoprinzip diskutiert wird.<br />
Obwohl jeder weiß dass es den einzelnen Arbeiter nicht interessiert was er Brutto bekommt,<br />
sondern was Netto übrig bleibt. Und dass seine Freiheit sich ausschließlich daraus finanziert<br />
was ihm nicht der Staat, nicht die Vermieter und nicht die Verkehrsbetriebe und so weiter<br />
abgenommen haben. Also dass das ein ganz enger Bereich ist über den da entschieden wird.<br />
Und oft einfach drüber getrampelt wird. Das sind die Dinge die, also ich will jetzt nicht sagen<br />
alle lügenhaft sind, aber jedenfalls nicht die Wahrheit treffen.