Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Rolf van Dick: Was meinen Sie damit, dass es in der Politik oft wichtiger ist wann<br />
entschieden wird. „Wann“ im Hinblick auf: Wann kann ich den Wählern noch etwas<br />
vermitteln oder „Wann“ im Hinblick auf…<br />
Roman Herzog: Das ist ganz unterschiedlich. Mit Sicherheit ist es so, dass Sie in Zeiten<br />
einer großen Aufregung langfristige, anspruchsvolle Projekte kaum durchführen können. Jetzt<br />
in der Finanzkrise wo jeder Angst um sein Geld hat, hätte es keinen Sinn auch noch das<br />
Bürgerliche Gesetzbuch neu schreiben zu lassen.<br />
Rolf van Dick: Also ein Gespür dafür zu haben wann die Themen bereit sind…<br />
Roman Herzog: Ja so ist es. Es gibt wirklich das Reifen von Themen und es gibt auch die<br />
Möglichkeit sie anzustoßen, also die Diskussion, und dann festzustellen, dass sie noch nicht<br />
reif sind. Also wenn Sie sich, das ist jetzt weniger eine Sache des<br />
Bundesverfassungsgerichtes, aber des Bundespräsidenten, es gibt bestimmte Dinge die nur in<br />
einem bestimmten Zeitfenster gehört werden. Wenn man zu früh dran kommt, sagen alle jetzt<br />
ist er lebensfremd geworden, jetzt ist er so weit von den Menschen weg. Wenn Sie zu spät<br />
kommen haben sich die Parteien schon positioniert und es tritt der Schein auf Sie entscheiden<br />
sich für die eine oder andere Parteilinie. Das dazwischen zu suchen, ist nicht wirklich eine<br />
Frage der Führung aber der, ich sage mal der Effektivität von Führung.<br />
Rolf van Dick: In Ihrer Zeit als Bundespräsident, ich glaube die berühmte Rede „Es soll ein<br />
Ruck durch unser Land gehen“…<br />
Roman Herzog: Ja, die ist ja erst zehn Jahre später verstanden worden. Das ist so ein<br />
Beispiel.<br />
Rolf van Dick: Weil sie zu früh gehalten haben oder weil die Menschen einfach länger<br />
gebraucht haben? (lacht) Also hätten Sie die Rede damals nicht halten sollen, weil Sie so<br />
lange nicht verstanden wurde?<br />
Roman Herzog: Nein, Sie müssen den großen Vorteil aber gelegentlich auch den großen<br />
Nachteil der Amtszeiten sehen. Es ist ja nicht so, dass man dieses Amt auf Lebenszeit<br />
bekommt. Aber der Vorteil besteht natürlich darin, dass das was Ihnen wirklich am Herzen<br />
liegt in dieser Amtszeit deponiert werden muss. Und so war es bei der „Ruck-Rede“, die ja in<br />
Wirklichkeit an den Kern unseres freiheitlichen Systems gegangen ist. Wir sagen ja immer<br />
gibt den Menschen Freiheit und sie werden alles oder vieles richtig machen. Das glaube ich,<br />
ja. Die Frage ist nur, was ist wenn die aus Ihrer Freiheit gar nichts machen wollen. Das<br />
Problem: Freiheit und Freizeit. Und das war in den 90er Jahren wirklich eine Situation. Die<br />
Leute waren genervt durch die Schwierigkeiten der Wiedervereinigung auf beiden Seiten des<br />
vorigen eisernen Vorhangs. Die Globalisierung,…Es ist also alles durcheinander gegangen.<br />
Im Übrigen auch in den Köpfen der Wirtschaftsführer damals. Das musste man mal<br />
deponieren. Und verstanden worden ist es im Grunde erst zehn Jahre später, aber wenn es<br />
verstanden ist, dann ist es ja auch egal. Das ist ja der Haupteffekt.<br />
Rolf van Dick: Sie haben gerade das Thema Amtszeit angesprochen. Sie haben mehrfach<br />
gesagt, dass es eigentlich nicht schlecht wäre, wenn die Amtszeit des Bundespräsidenten<br />
etwas länger wäre, aber dann begrenzt auf eine Periode.<br />
Roman Herzog: Ja.