Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Günter Grass<br />
Kurzbiographie<br />
Günter Grass wurde am 16. Oktober 1927 in Danzig als Sohn eines protestantischen<br />
Lebensmittelhändlers und einer Katholikin kaschubischer Abstammung geboren. Nach einer<br />
Lehre zum Steinmetz studierte er von 1948 bis 1956 in Düsseldorf und Berlin Grafik und<br />
Bildhauerei. Neben ersten Ausstellungen von Plastiken und Graphiken in Stuttgart und Berlin<br />
begann Grass in den Jahren 1956/57 schriftstellerisch tätig zu werden. Den internationalen<br />
Durchbruch schaffte er im Jahr 1959 mit seinem ersten Roman ‚Die Blechtrommel‘. Grass<br />
war seit 1957 Mitglied der Gruppe 47 und von 1963 bis 1989 Mitglied der Berliner Akademie<br />
der Künste. Im Jahr 1999 erhielt Grass den Nobelpreis für Literatur und gilt als einer der<br />
bedeutendsten deutschsprachigen Autoren der Gegenwart.<br />
<strong>Interview</strong> geführt in Behlendorf am 02. April 2011<br />
Rolf van Dick: Ich bedanke mich noch einmal herzlich, dass Sie sich Zeit für uns nehmen.<br />
Sie wissen, wir wollen in Frankfurt das Center gründen, wo wir interdisziplinär arbeiten<br />
wollen; Psychologen, Ökonomen, das ist offen für weitere Disziplinen, wir sind auch im<br />
Kontakt mit Soziologen. Und wir wollen versuchen, gemeinsam den Studenten möglichst<br />
gute Zugänge zu Forschungsthemen zu bieten und da gehört heutzutage zum Professor-sein<br />
dazu, dass man offen ist für die Wirtschaft und auch offen dafür ist, mit der Praxis in einen<br />
Dialog zu kommen. Ich kann nicht in meinem Zimmer sitzen und mir alles ausdenken und<br />
nicht mit denen sprechen, die es ja dann hinterher angeht. Etwas das uns hauptsächlich<br />
beschäftigt ist, wie Menschen in Organisationen miteinander umgehen und welche Rolle<br />
Führung dabei spielt.<br />
Und die erste Frage die ich habe ist eigentlich ganz einfach: Ihrer Meinung nach, brauchen<br />
wir überhaupt Führung?<br />
Günter Grass: Also wenn ich von meinen Erfahrungen ausgehe, unmittelbar nach dem<br />
Krieg…Ich gehöre ja zu dieser Generation der „gebrannten Kinder“, aufgewachsen in dieser<br />
verengenden und dumm machenden Welt des Nationalsozialismus, und aus der<br />
Kriegsgefangenschaft mit 18 Jahren entlassen brauchte ich – Orientierung. Die erste habe ich<br />
gefunden weil ich nicht gleich auf die Kunstakademie konnte, die hatte damals noch<br />
geschlossen, war halb zerstört, und musste erst – das war dieser Kohlenmangel zu dieser Zeit,<br />
das war dieser schreckliche Winter 46/47, da hab ich also eine Steinmetzlehre gemacht,<br />
Bildhauer und Steinmetz in einem, in einem Grabsteinbetrieb. Da war der Bildhauer, der<br />
damals dort beschäftigt war und Grabsteinfiguren machte, Meister Singer, für mich eine<br />
prägende Figur, weil er einfach die Erfahrung hatte, der wusste wie man die verschiedenen<br />
Steine behandelte, welche Meißel man ansetzt; da war ich der Lernende und er der Gebende<br />
und das war auch eine Autorität in dem Sinne.<br />
Und das hat sich dann ein Jahr später, als ich auf die Kunstakademie ging, bei einem meiner<br />
Lehrer, bei Otto Pankok, prägend fortgesetzt, der eigentlich, im akademisch überlieferten<br />
Sinne, kein „guter“ Lehrer gewesen ist. Der ließ uns machen, gab nur ganz sparsam<br />
Anweisungen, aber als Person war er prägend. Alleine schon weil er während der Nazizeit,<br />
sein Hauptmotiv waren Zigeuner, wie man damals sagte, er hat auch mit denen gelebt, also<br />
hatte er Malverbot während der Nazizeit, und diese Art von Haltung hat mich, der noch in all<br />
diesen Dingen wie unbeleckt war, nachhaltig geprägt. Das wirkt im Grunde bis heutzutage<br />
nach. Als ich dann nach Berlin auf die Hochschule der bildenden Künste wechselte, war es