Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Rolf van Dick: Das ist zufällig eines der Themen, die wir uns auch in der Forschung<br />
anschauen und die Schwierigkeit für Frauen besteht ja darin, dass wenn sie so führen wie sie<br />
es als Mädchen gelernt haben beziehungsweise es ihnen die Rollen vorschreiben, dann<br />
werden sie oft nicht erst genommen. Wenn sie sich aber männlich verhalten, dann werden sie<br />
auch wieder kritisiert.<br />
Bruder Paulus: Das ist ja ein ganz neues Thema, es gibt eine Geschlechterverwirrung. Es<br />
gibt es ja, dass die Männer langsam aufwachen und zur Emanzipation kommen und wieder<br />
wissen, was Männer sind und dass Frauen wieder wissen, was Frauen sind. Also das finde ich<br />
irgendwie merkwürdig, dass da so eine Unsicherheit da ist. Also ich liebe die Frauen und<br />
Frauen, die unverkrampft Frauen sind. Und ich freue mich an Männern, die unverkrampft<br />
Männer sind. Aber das kann man sich nur gegenseitig zusprechen, das braucht Dialog, das<br />
braucht Kommunikation, und wenn natürlich in einem Betrieb nur noch die Zahl gilt, oder<br />
wenn in einem Betrieb nur noch Qualitätsmanagement gilt, also abbildbares männliches<br />
Strukturgetue, dann ist das für eine Frau natürlich schwierig, die würde ja lieber sagen: „Ich<br />
würde für meine Angestellten gerne mal eine Farbtafel machen!“ Und „Ich würde gerne mal<br />
was, über deren Charismen, Träume und Visionen wissen.“ Meines Erachtens gehört das auch<br />
mit in Personalführung, dass in einem Betrieb beide Seiten, also die männliche und die<br />
weibliche Aufsicht eine Rolle spielen.<br />
Rolf van Dick: Ich bin schon bei meiner letzten Frage und das ist immer die Frage nach der<br />
Rolle von Werten. Oder die Frage spezifisch an die katholische Kirche formuliert: Ist es gut<br />
für die katholische Kirche wertekonservativ zu sein und zu den Traditionen zu stehen oder<br />
sollte die Kirche sich anpassen an moderne Werte? Wir haben vorhin eigentlich schon mal<br />
darüber gesprochen.<br />
Bruder Paulus: Ja, ich glaube in der Wertediskussion gibt es irgendwie Missverständnisse,<br />
die man aus dem Weg räumen muss. Die Werte sind ja – da glaube ich ganz fest dran- im<br />
Herzen des Menschen erkennbar. Also der Wert Liebe ist unbestritten. Der Wert Leben ist<br />
unbestritten. Also Werte sind ja all das, so sagen die Philosophen, was einen Sollensanspruch<br />
an uns richtet. „Du sollst dies und jenes tun und dies und jenes nicht!“, zum Beispiel: „Du<br />
sollst gerecht sein!“ Wir müssen es nicht! „Du sollst gerecht sein!“ Diesen Sollensanspruch<br />
zu hören und ihn einzulösen als Schlüssel für meine Freiheit. Also ich muss mich dem Wert<br />
unterwerfen, damit ich frei werden. Das haben manche Leute nicht erkannt oder<br />
missverstanden als Unterwerfung unter die Werte und halten ausgerechnet dies für Unfreiheit!<br />
Die finden also, wenn ihnen nach saufen ist, müssen sie nicht fragen, ob das sinnvoll ist,<br />
sondern ich bin ja so frei, dass ich saufen darf. Oder wenn ich keine Lust mehr zum Leben<br />
habe, dann bin ich ja so frei, dass ich einen Giftbecher trinken darf! Das halten die dann für<br />
Freiheit! Da sehen Sie mal diese totale Verirrung der Werte, die natürlich, das weiß ich sehr<br />
wohl, kapitalismusgesteuert ist, der sich nicht an Werte hält. Wenn Sie nach dem Sinn des<br />
Lebens fragen, wären Sie ein schlechter Konsumist. Und darum ist glaube ich die Kirche gut<br />
beraten, wenn sie einfach den Menschen sagt: „Du, Gott beißt nicht!“ oder „Es ist gar nicht so<br />
schlimm ein gerechter Mensch zu sein!“. „Wenn Du an Deinem Arbeitsplatz feststellt, Du als<br />
Mann wirst besser bezahlt als die Mitarbeiterin neben Dir, dann gehört es sich eigentlich, dass<br />
Du zur Personalabteilung gehst und sagst: „Hören Sie mal, wir haben unsere Lohnzettel<br />
nebeneinander gehalten. Warum verdient meine Kollegin eigentlich dreihundert Euro<br />
weniger? Könnte ich mit ihr bitte teilen?“ Das können Sie nicht vorschreiben! Das kommt<br />
nicht von oben! Das kommt von unten! Und darum ist die Kirche, sie hat ja diese Leitlinien<br />
zur Freiheit von Jesus empfangen, und darum müssen wir sie immer wieder verkünden. Das<br />
hat für mich mit konservativ gar nichts zu tun. Ich glaube, dass jeder Gerechtigkeit möchte.<br />
Also ich möchte jedenfalls Gerechtigkeit. Da soll mal einer kommen der sagt: „Ich möchte