Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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eben so mit seiner Partnerin durch die Gegend reist, der beschädigt sich selber als Führer<br />
eines Volkes, da möchte man doch eigentlich etwas anderes erwarten.<br />
Rolf van Dick: Ich kann gut verstehen, dass Sie aus Ihrer Perspektive das so sehen. Man<br />
könnte natürlich auch umgekehrt sagen, Gauck vertritt das, wo heutzutage viele Menschen für<br />
stehen, sie sind nicht verheiratet oder nicht mehr verheiratet…<br />
Bruder Paulus: Er ist ja verheiratet!<br />
Rolf van Dick: …oder leben in Trennung…<br />
Bruder Paulus: Nein, auch nicht! Der negiert einen Scheidungsprozess. Er geht vor die<br />
staatlichen Gerichte nicht, sonder sagt: „Ich lass das so und halt mir da nebenbei noch eine<br />
Geliebte.“ Das tut weh, ich weiß es tut weh, wenn man das sagt, aber wir können ja nicht von<br />
einem Volk und von Menschen verlangen… Also Führung heißt ja, ich sage, dass mir die<br />
Werte was Wert sind und nicht, dass ich die Werte jetzt umdefiniere, sondern die sind mir<br />
was wert und ich bin dafür bereit ein Opfer zu bringen. Und ich warte auf die ethischen<br />
Begründungen von Herrn Gauck, wie er diese Lebenssituation jetzt seinem Volk vorlebt. Ist<br />
das jetzt sozusagen der Schutz von Ehe und Familie? Ist es das jetzt so? Also es tut mir leid,<br />
aber ich kann da jetzt nur Bitterkeit empfinden, aber das ist so.<br />
Rolf van Dick: Vielleicht eine Frage an dieser Stelle, die ich eigentlich immer erst gegen<br />
Ende stelle: Wir sehen ja so oft das Führung nicht gelingt, gerade im politischen Bereich und<br />
auch im Wirtschaftsbereich- Menschen bereichern sich, Menschen sind egoistisch. Warum ist<br />
das so? Liegt das an den einzelnen Menschen? Liegt das am System? Was meinen Sie?<br />
Bruder Paulus: Ich glaube, dass liegt teilweise an einzelnen Menschen, es liegt aber auch an<br />
Systemen. Ein typisches Führungsproblem: Sie haben einen Vorstand. Zwei davon sind<br />
Alkoholiker. Wer sagt denen das? Wenn es deren Sekretärin nicht sagt. Sagt es deren<br />
Vorsitzende? Der braucht ja diese beiden, die nicht mehr ganz so bescheid wissen, um seine<br />
Ziele durchzusetzen. Sagt es der Aufsichtsrat? Naja, Gott, die beiden sind schon so verdient,<br />
kann man ja nun auch nicht. Also an Hand des Themas Alkoholismus können Sie das sehr<br />
schön sehen, wie Führung da in einem Unternehmen versagt und ob da Männer oder Frauen<br />
sind, die sagen: „Das ist mir doch gerade egal, was man von mir denkt und lass mich gerne<br />
kündigen und ich gehe auch gerne wieder in die Armut, aber ich gebe für die Wahrheit<br />
Zeugnis!“ Wenn Führung das nicht tut, für die Wahrheit Zeugnis geben- und dafür braucht<br />
man natürlich ein gewisses Märtyrerblut für- das ist nicht gerne gehört, wenn Sie einem<br />
Studenten sagen: „Schön, dass Sie das jetzt hier studieren, aber das ist nichts für Sie. Sie<br />
sollten eigentlich Metzgereiverkäuferin werden!“ Da haben Sie noch am nächsten Tag<br />
wahrscheinlich Mama und Papa auf der Matte stehen, wieso Sie so eine Unverschämtheit<br />
haben können. Aber Sie übernehmen Führung! Und Sie können ja sogar verkehrt liegen! Aber<br />
Sie haben das getan, was in Ihrem Gewissen jetzt hier zu sagen ist und von daher liegt es<br />
teilweise an Systemen, die Menschen nicht oft genug rotieren lassen. In meinem Orden<br />
wählen wir alle drei Jahre unsere Oberen neu – darum heißt es immer „Sei nett zu Deinem<br />
Mitbruder, er könnte Dein nächster Oberer werden!“. Bei uns bricht alle drei Jahre die<br />
Struktur zusammen, wenn das Kapitel zusammenkommt, dann zählt nichts mehr, die neue<br />
Leitung wird gewählt und die darf ganz frei entscheiden, wer wo arbeitet. So etwas wünschte<br />
ich mir für Firmen, dass man Zielvereinbarungen macht: „Du bist jetzt mal für fünf Jahre<br />
unsere Führungspersönlichkeit und dann kannst Du es noch einmal fünf Jahre sein, dann aber<br />
nicht mehr die nächsten fünf Jahre“.