Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Tarek Al-Wazir: …ja…<br />
Rolf van Dick: … also in der SPD gab es den Führungswechsel fast jährlich und…<br />
Tarek Al-Wazir: …ja, wobei ich dazusagen muss, also, da bin ich bis heute mit einer…<br />
stehe ich mit einer gewissen Bewunderung vor der inhaltlichen Konsequenz von Joschka<br />
Fischer. Der hat nämlich an bestimmten Punkten, völlig egal, ob er der Auffassung war, dass<br />
er da jetzt eine Mehrheit hatte oder nicht, Positionen vertreten, weil er einfach in der Sache<br />
überzeugt war. So und das ist eine Qualität, ja, die versuche ich mir an bestimmten Punkten<br />
auch insofern zu bewahren, dass ich mir nicht überlege… Also, natürlich muss man in der<br />
Politik immer gucken, kann man es durchsetzen, ist es völlig unpopulär, greifen sich die<br />
Leute an den Kopf? Aber, dass ich doch noch versuche über Sachen nachzudenken nach dem<br />
Motto „Was wäre denn eigentlich nötig?“ unabhängig davon, ob das jetzt in der Partei oder in<br />
der Bevölkerung auf den ersten Schritt populär ist. Also ein, wenn ich ein Beispiel geben darf:<br />
Das ist jetzt keine Führung im Sinne von Personalführung, sondern das ist eine Führung im<br />
Sinne von Vordenken. Im Sommer 95 habe ich, so wie alle anderen auch, nach drei Jahren<br />
Blicken auf den Bosnienkrieg, Srebrenica als Menetekel erlebt und habe damals… Ich war<br />
glaube ich in den Sommerferien in Griechenland und habe mir den Spiegel gekauft und da<br />
war sozusagen die Schilderung dessen, was da passiert ist und ich weiß noch, dass ich da<br />
wochenlang in diesem Urlaub mit Leuten diskutiert habe wie lange kann man da zugucken,<br />
was muss man tun, sozusagen wo ist die Grenze, wo sind die Grenzen des Pazifismus? Ich<br />
meine 95 war ja sozusagen eine völlig andere Zeit in der… im Gefühl dieses Landes und ich<br />
weiß noch wie absolut erleichtert ich war, als Joschka Fischer als<br />
Bundestagsfraktionsvorsitzender damals gesagt hat „Liebe Leute, es tut mir leid,<br />
Parteitagsbeschluss hin oder her, an diesem Punkt, hier stehe ich und kann nicht anders, wir<br />
müssen über die Frage militärischer Interventionen reden.“.<br />
Rolf van Dick: Dafür ist er ja dann innerhalb der Grünen viel geschimpft worden.<br />
Tarek Al-Wazir: Wir haben gekämpft. Der Parteitag war in Bremen und ich glaube wir<br />
hatten so ein Drittel hinter uns.<br />
Rolf van Dick: Aber…<br />
Tarek Al-Wazir: …langfristig hat es uns die Existenz gerettet. Weil wenn wir nicht 95 diese<br />
Debatte angefangen hätten, dann hätten wir sozusagen den Kosovokrieg nicht überlebt. Als<br />
Partei.<br />
Rolf van Dick: Jetzt komme ich… ich springe mal zu der eigentlich letzten Frage, der Frage<br />
nach Werten in der Gesellschaft und die Wichtigkeit. Ist das nicht genau so ein Thema, wo<br />
die Grünen einen ihrer fundamentalen Werte ausgetauscht haben? Oder ich will nicht sagen<br />
ausgetauscht haben, aber zumindest infrage gestellt haben, diskutiert haben?<br />
Tarek Al-Wazir: Ja, klar. Also, natürlich, das hat etwas… wobei zur Schwierigkeit zu der<br />
Welt, wie sie heute ist, gehört ja, dass sich Werte auch widersprechen können. Also, der Wert<br />
der Gewaltfreiheit auf der einen Seite und der Wert des Rechts auf Leben, der Wert des<br />
Rechts auf Freiheit und der Wert des Rechts auf… So, ich meine das war ja vergleichsweise<br />
einfach in den Achtzigerjahren zu sagen „Ich bin gegen Krieg, weil Krieg bedeutet die<br />
Auslöschung der Menschheit“, so, weil der Atomkrieg wäre das Ende. In der Sekunde, wo Sie<br />
in einem Bürgerkrieg mit Vertreibungen und Hinrichtungen und Massenmorden eine<br />
Situation haben, dass die eine Gruppe viele Waffen hat und die andere keine ist