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Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...

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Und sie haben als Konsumenten große Marktmacht, die müssen sie nur mal entdecken, das<br />

haben sie noch nicht entdeckt. Aber wir können große Global Player aushungern. Ich muss<br />

keine Kinderarbeitsprodukte kaufen.<br />

Rolf van Dick: Und das Internet hilft sozusagen…<br />

Norbert Blüm: Das Internet hilft da sehr. Da können die nichts mehr machen. Die polieren<br />

an der… Da kannst du keinen Eisernern Vorhang mehr machen. Das ist… jedenfalls das<br />

Internet lässt sich so nicht stoppen wie sich früher Informationsstränge abschneiden ließen.<br />

Das finde ich… und da werden die Leute… es wird noch mehr Sachen… wir werden diese<br />

Produkte nicht rund um die Welt wandern lassen um sie irgendwo zusammenzuschrauben,<br />

wir werden nicht an der Nordsee die Krabben fischen, in Marokko pulen, in Polen verpacken<br />

lassen, in Deutschland… Das werden wir - nicht weil wir es nicht wollen, sondern weil der<br />

Transport so teuer wird. Das Öl wird teuer. Wir werden uns die Verrücktheiten – von Nike,<br />

dass die sich in der ganzen Welt ihre Klamotten zusammenkaufen, dann irgendwo das Logo<br />

draufdrucken – das wird nicht gehen! Und – warum diese Tauschringe, warum diese<br />

Regionalwährungen? Da soll mal der große Elefant Deutsche Bank… Das ist nur eine Mücke,<br />

die sticht nicht. Aber wenn mal tausend Mücken kommen, so sind kulturelle Wenden immer<br />

passiert. Die sind nie – selten jedenfalls – so als Bruch passiert. Die sind mit solchen<br />

Vorboten, belächelte Vorboten… Also ich meine, der Schneider von Ulm ist auch verlacht<br />

worden. Heute sitzt man ja in so einem riesigen Ding drin. Die Schariah-Banken, die arbeiten<br />

ohne Zins. Mit ganz handfesten Vorgaben: keine Sex-Investitionen, kein Alkohol… Kann<br />

sein dass da viel Scheinheiligkeit im Spiel ist, die verdienen auch ihr Geld, aber mit einer<br />

anderen Anknüpfung – Beteiligung an den Gewinnen, die mit diesen… Nicht<br />

Spekulationsprämien. Also die Welt verändert sich schneller als Herr Ackermann merkt. Das<br />

ist das Schicksal der Elefanten. Die merken nicht was da am Boden sich entwickelt, welche<br />

neuen Tiere sich da entwickeln.<br />

Rolf van Dick: Ich habe noch eine Frage. Wir haben eigentlich schon die ganze Zeit über das<br />

Thema ‚Werte’ geredet. Ihr Buch ist ja im Prinzip auch ein Buch über Wertewandel und<br />

Werteverlust. Haben Sie da ein oder zwei Stichworte, wo Sie denken, das sind wichtige Werte<br />

die auch in Zukunft eine Rolle spielen?<br />

Norbert Blüm: Ja, das sind uralte Sachen. Ich meine, insofern entdecke ich auf meine alten<br />

Tage, dass ich konservativ bin. Ich habe mich immer als progressiv empfunden. Schon in der<br />

Schule waren mir die Ja-Sager verdächtig. Das waren immer die bewunderten Typen, die<br />

Rabatz gegen die Autoritäten gemacht haben, also die Nein-Sager waren meine Vorbilder.<br />

Inzwischen merke ich dass zum Ja-Sagen möglicherweise mehr Tapferkeit gehört – nämlich<br />

zu bestimmten Sachen, die der Veränderung entzogen werden, Ja zu sagen. Beispielsweise zu<br />

so einfältigen Grundsätzen „Der Starke hilft dem Schwachen“. Das ist ein Grundsatz, der so<br />

lange gilt, wie Menschen Menschen sind. Wir sind nämlich sehr schwache Lebewesen. Ohne<br />

Solidarität, ohne Kultur, nur der Natur anheim geben, sind wir nicht überlebensfähig. Also ist<br />

das ein Satz, da können die noch so viel … Und jetzt werden Sie sagen, da halte ich<br />

Kalendersprüche – keineswegs! Es gibt kein Rentensystem, in dem nicht die Jungen die Alten<br />

bezahlen. Und alles was die euch da vormachen – ihr müsst sparen und dürft euch nicht<br />

verlassen auf die Nachfolgenden – wenn ihr spart, ist euer Gespartes auch nur soviel wert, wie<br />

die Nachfolgenden euer Angespartes nutzen! Sonst… Kapital kannst du nicht essen. Das<br />

bleibt immer dabei, der – wie heißt der Hausfreund, der von Johann Peter Hebel, da gibt es so<br />

eine schöne Geschichte, da sagt der Fürst dem Bauer „Was machst du mit deinem Lohn?“,<br />

sagt der „Ein Drittel gebe ich Kredit, ein Drittel zahle ich meine Schulden ab und ein Drittel<br />

verbrauche ich selbst.“ – „Wie das?“ sagt der. „Ja, ein Drittel gebe ich Kredit meinen

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