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Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...

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gekannt. Und er hat sich trotzdem nicht in seinen Schwächen häuslich eingerichtet, sondern<br />

hat mit den Mitteln, die er hatte, noch trennscharfe Korrekturen gemacht. Da ist eigentlich<br />

alles drin, was du für einen guten Führer zu bieten hast. Was die Bundespräsidenten angeht, ja<br />

da habe ich viele kennengelernt. Und wissen Sie woran ich Bundespräsidenten – ich hab da<br />

ein spezielles Testverfahren, das ist in der Psychologie wahrscheinlich noch nicht… da gibt’s<br />

noch keine Habilitation, da könnte man vielleicht eine Habilitationsschrift drüber machen,<br />

oder irgendwo patentieren lassen: Frag die Kellner! Was sie vom Bundespräsidenten halten.<br />

Und da wirst du herausfinden, dass Leute die für sehr volksnah gehalten werden, so volksnah<br />

wiederum nicht sind, wenn sie mit Untergebenen zu tun haben. Und da wirst du andere<br />

Bundespräsidenten, von denen du… die das Image eines Herren mit Distance haben, dass die<br />

im Bereich ihrer sogenannten Untergebenen hohes Interesse hatten an familiären… Den<br />

Herren den ich da gerade bewundere, den nenne ich, die anderen nenne ich nicht, nicht nur<br />

aus Datenschutzgründen sondern auch weil die andere große Fähigkeiten hatten. Aber den ich<br />

da gerade so… das war der Carstens. Der galt ja als Herrenreiter. Und da fragen Sie mal im<br />

Bundespräsidialamt die, die da über längere Zeiten waren, was die über ihren Chef Carstens<br />

sagen.<br />

Rolf van Dick: Hm, also sozusagen mit seinen Mitarbeitern anständig umgehen und sich<br />

auch für die persönlichen Belange einsetzen.<br />

Norbert Blüm: Ja, er hat gesagt „Dir geht’s heut schlecht, was ist denn los?“ – Das hat ihm<br />

weder was gebracht, noch hat es Führungsstärke bewiesen. Das hat nur bewiesen... die sind<br />

für den wegen solcher Anteilnahme... haben die mehr geleistet als einer der sie behandelt hat,<br />

wie man Untergebene so behandelt.<br />

Rolf van Dick: Fällt Ihnen zu Ratzinger was ein, Ratzinger hat ja damals schon als Sie<br />

studiert haben... –<br />

Norbert Blüm: Ja, ich bin kein Psychologe aber wäre ich ein Psychologe, da kann ich Ihnen<br />

dessen Psychobiografie schreiben. Das war in Bonn, wo ich ihn gehört habe, ein<br />

frührevolutionärer Theologe, der hat die Konzilsbewegung mitgestaltet, war junger<br />

Konzilstheologe bei Kardinal Frings und Kardinal Frings war eine der großen progressiven<br />

Gestalten des Konzils, und der hat wenn er vom Konzil zurückkam, im Hörsaal, in der großen<br />

Aula, immer Konzilsberichte gegeben, die waren überfüllt, die waren voller progressiven<br />

Tatendrangs – zum Neid seiner theologischen Lehrstuhlmitarbeiter. Das war Ratzinger. Bei<br />

ihm habe ich auch Prüfungen gemacht, im FachEkklesiologie. Da hat er das päpstliche<br />

Lehramt so beschrieben: Wer mit dem Bischof von Rom in Kommunion lebt, mit dem die<br />

Tischgemeinschaft... der ist katholisch. Also hat der Bischof von Rom seine<br />

Elementarfunktion – er bezeugt die Einheit, der ist sozusagen der Notar der Einheit. Nicht<br />

mehr! Er hat keine Spezialverbindung zum lieben Gott, sondern er schöpft aus dem Glauben<br />

der um den Tisch versammelten Kirche, das ist der Papst, primus inter pares, nicht mehr. Das<br />

hat er später etwas verändert, ich habe ihn ja auch öfter gesehen und ihn auch immer wo es da<br />

um etwas ging, gefragt „Wie war das damals noch, mit der wesentlichen Autorität?“ – Wo er<br />

auch immer geschmunzelt hat. Und ich glaube, dass sein Wendepunkt war, er ging ja von –<br />

sensibel wie er war – ist er in der Fakultät nicht heimisch geworden. Der ist über so Sachen<br />

gestolpert wie dass die Kollegen eine Dissertation anders bewertet haben als er. Also, zart und<br />

sensibel, ja das spricht ja eher für eine ganz dünne Haut, ist er nach Münster, von Münster ist<br />

er zu seinem Freund Küng, da haben ihn die 68er überfallen mit „Jesus, verficke dich“ und<br />

solchen Sprüchen. Das hat diesen zarten Ratzinger zu der Annahme gebracht, die Pforten der<br />

Hölle haben sich jetzt aufgetan, das Chaos bricht aus. Fortan nahm er zu den Institutionen,<br />

unter Sicherheit der Institutionen, mehr Zuflucht als es seiner augustinischen Theologie

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