Leadership-Interview-Transkript - Sozialpsychologie - Goethe ...
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Rolf van Dick: Aber wie läuft das dann konkret? Also würde es dann konkret so laufen, dass<br />
wenn es im Gespräch ist, eine Vermögenssteuer einzuführen, die Chefredakteure der großen<br />
Unternehmen mit dem Kanzler oder der Kanzlerin sprechen und sagen „Mach das lieber<br />
nicht!“ ?<br />
Sahra Wagenknecht: Nee, die brauchen gar nicht mir ihr sprechen! Sie brauchen ja nur<br />
schlechte Artikel zu lancieren. Und die schlechten Artikel beziehen sich dann nicht auf die<br />
Vermögenssteuer, sondern die sind dann insgesamt negativ. Also da ist dann jemand zum<br />
Beispiel altbacken oder hat keine neuen Ideen. Und es sind ja immer die Reformer, die<br />
komischerweise dann immer genau das machen, was sich die Oberschicht, die Reichsten und<br />
die Wirtschaft wünschen. Diese Personen werden dann mit positiven Prädikaten versehen:<br />
Modernisierer, Reformer, die Kreativen, die Ideen haben. So werden natürlich auch Stempel<br />
aufgedrückt. Und das ist also ein Teil. Und dann gibt es natürlich den ganz unmittelbaren Teil<br />
tatsächlich, in dem sich die Wirtschaft Politik kauft. Das läuft teilweise über Spenden. Wenn<br />
man sich beispielsweise anguckt, wie die Finanzindustrie aus hoher Dankbarkeit für die<br />
Riesterrente also dann am Ende SPD und Grüne mit einer regelrechten Spendensegen<br />
beglückt hat. Das ist ja richtig Geld in der Parteikasse! Und die meisten Parteien, mit<br />
Ausnahme der Linken, bekommen ja regelmäßige Spenden von der Deutschen Bank, Allianz<br />
etc. Wenn man jetzt diese Banken erheblich regulieren würde, oder zumindest eine Politik<br />
macht, die sich klar gegen sie richtet, dann könnte dieser Spendensegen natürlich relativ<br />
schnell ausbleiben und das merkt man in der Parteikasse. Und dann gibt es natürlich noch<br />
diese sozusagen faktische Korruption, die aber nicht als solche messbar ist, unter dem Motto<br />
„bezahlt wird später“. Also ein Politiker, der Dinge macht, die der Wirtschaftslobby, gerade<br />
den großen Unternehmen zu Gute kommen, der kann sich relativ sicher darauf verlassen,<br />
wenn er nicht mehr in seiner politischen Funktion ist, dass er dann wirklich in Geld gebadet<br />
wird auf unterschiedliche Weise. Entweder liberalisiert er die Leiharbeit wie Clement und<br />
findet sich dann just im Aufsichtsrat eines Leiharbeitsunternehmens wieder oder eben er<br />
macht es wie Riester auch schon – das ist ja nicht erst das Phänomen Steinbrück-, sich<br />
herumreichen lassen in der Fonds- und Versicherungsindustrie und war damals der<br />
bestbezahlte Bundestagsabgeordnete. Also er hat nach seiner Ministerzeit viel viel mehr Geld<br />
verdient als jemals zuvor in seinem Leben. Das waren richtige Größenordnungen, von den<br />
von ihm Begünstigten. Umgekehrt, wenn sich nun ein Politiker für die Verbesserung der<br />
Hartz IV Regeln einsetzt weiß er natürlich, dass dort keine zahlungskräftige Lobby ist, die ihn<br />
danach mit Geld begünstigen kann. Also das ist auch etwas, wo ich nicht in jedem Falle<br />
unterstelle, dass es eine Rolle spielt, aber es spielt eine Rolle und für viele Leute keine ganz<br />
unwesentliche. Und dann kommt sicherlich –das ist jetzt weniger bei der Finanzindustrie, aber<br />
auch teilweise- Erpressung dazu. Also dass dann eben Banken sagen: „Wenn ihr uns reguliert,<br />
dann gibt es keinen Kredit mehr.“ Und ansonsten sagt die Industrie beispielsweise: „Wenn ihr<br />
zu scharfe Umweltstandards einführt, dann verlagern wir unsere Arbeitsplätze.“ Das kommt<br />
natürlich auch noch dazu. Das Grundproblem ist, denke ich, eine Gesellschaft, in der eine sehr<br />
sehr kleine Gruppe von Leuten über unglaubliches Geld verfügt und damit natürlich die<br />
Macht hat Politik auf die unterschiedlichste Art und Weise zu kaufen und zu erpressen. Das<br />
ist meines Erachtens der Kern und dann kommen die ganzen persönlichen<br />
Korrumpierbarkeiten von Politikern dazu.<br />
Rolf van Dick: Wenn man mal jetzt die Erpressung mit Arbeitsplätzen außer Acht lässt, gibt<br />
es ja Menschen, die sagen, dass man Politiker viel besser bezahlen sollte, damit sie<br />
unabhängiger sind. Würden Sie das jetzt begrüßen, aus dem, was Sie gerade gesagt haben?<br />
Sahra Wagenknecht: Na gut, natürlich ist es irgendwo fragwürdig, wenn die<br />
Bundeskanzlerin im Jahr so mit Zweihundertnochwastausend im Jahr nachhause geht und