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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Die Liste illustrer Verehrer und Bewunderer ist lang. August Strindberg ehrte "sein Gedächtnis als <strong>das</strong><br />

eines tapferen männlichen Kämpfers" und sprach von dem unverrückbaren Faktum, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Weib<br />

nichts als ein rudimentärer Mann sei.<br />

Doch hat Weiningers asketischer Reinlichkeitswahn nicht nur Moralisten wie Karl Kraus, Ludwig<br />

Wittgenstein und Adolf Schönberg im Fin de siècle angezogen, sondern auch auf Adolf Hitler und<br />

Benito Mussolini gewirkt, nicht zuletzt deshalb weil sich aus seiner Theorie von der menschlichen<br />

Bisexualität leicht eine manichäische Weltanschauung vom Kampf der Geschlechter zimmern ließ, der<br />

angeblich dem Kampf der Arier gegen <strong>das</strong> Judentum entspricht. Damit hat Weininger, gewollt oder<br />

ungewollt, dem faschistischen Männlichkeitskult Tür und Tor geöffnet.<br />

"In den langen Monologen im Führerhauptquartier Wolfsschanze erzählt Hitler eines Abends, sein<br />

väterlicher Freund Dietrich Eckart habe ihm versichert es gebe "einen anständigen Juden..., den Otto<br />

Weininger, der sich <strong>das</strong> Leben genommen hat, als er erkannte, <strong>das</strong>s der Jude von der Zersetzung<br />

anderen Volkstums lebt" berichtet Joachim Riedel und bemerkt weiter: "Doch Weininger übte indirekt<br />

auch folgenschweren Einfluss auf Hitler aus. Während seiner "Wiener Lehrjahre" war der meist<br />

mittellose Kunstmaler ein emsiger Leser der wütend-antisemitischen Zeitschrift "Ostara", die ein<br />

grotesker Weininger-Epigone edierte. Georg Lanz von Liebenfels (ein Künstlername) war ein<br />

abgefallener Zisterzienser-Mönch, der 1905 begonnen hatte, seine wahnwitzige Rassenideologie zu<br />

publizieren. Seine wesentliche programmatische Schrift 'Theozoologie' liest sich wie eine von den<br />

letzten logischen Ankern befreite Kopie der Weiningerschen Lehre." Er war der Mann, "der Hitler die<br />

Ideen gab." (Gerald Stieg mit Hinweis auf <strong>das</strong> gleichnamige von ihm und Wilfried Daim verfasste<br />

Buch, München 1958.)“ 144<br />

Fast entbehrlich zu erwähnen ist, <strong>das</strong>s der elitaristische Zusammenhang zwischen Männlichkeitswahn<br />

und Antisemitismus durch den Vergleich von Frauen und Juden mit Engländern zum ideologischen<br />

Bermudadreieck erweitert wurde, welches den Kapitalismus in eine verächtliche Lage brachte.<br />

Engländer hätten keine hervorragenden geistigen Leistungen vollbracht, William Shakespeare wurde<br />

zum zweitrangigen Stückeschreiber herabgewürdigt. Mit der Einbeziehung Englands wurden die<br />

Marktwirtschaft und <strong>das</strong> parlamentarische System zu eines Mannes unwürdigen Unternehmungen<br />

stilisiert.<br />

Im Kontext des zeitgenössischen Männlichkeitswahns erregten exhibitionistische Männer die<br />

sexuellen Phantasien.<br />

„Berlin verwandelte sich in <strong>das</strong> Babel der Welt. Bars, Rummelplätze und Schnapsbuden schossen<br />

auf wie die Pilze. Was wir in Österreich gesehen, erwies sich nur als mildes und schüchternes<br />

Vorspiel dieses Hexensabbats, denn die Deutschen brachten ihre ganze Vehemenz und<br />

Systematik in die Perversion. Den Kurfürstendamm entlang promenierten geschminkte Jungen mit<br />

künstlichen Taillen und nicht nur Professionelle; jeder Gymnasiast wollte sich etwas verdienen, und<br />

in den verdunkelten Bars sah man Staatssekretäre und hohe Finanzleute ohne Scham betrunkene<br />

Matrosen zärtlich hofieren. Selbst <strong>das</strong> Rom des Sueton hatte keine solchen Orgien gekannt wie die<br />

Berliner Transvestitenbälle, wo Hunderte von Männern in Frauenkleidern und Frauen in<br />

Männerkleidung unter den wohlwollenden Blicken der Polizei tanzten. Eine Art Irrsinn ergriff im<br />

Sturz aller Werte gerade die in ihrer Ordnung bisher unerschütterlichen bürgerlichen Kreise.“ 145<br />

144 Ursula Homann: Judenhasser oder ein Heiliger des Judentums? Aus www.ursulahomann.de<br />

145 Stefan Zweig: Die Welt von gestern, Frankfurt, 1953, S. 187<br />

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