Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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Nach dem Wald- und Dichtersterben beschäftigte Klages <strong>das</strong> Artensterben:<br />
"Um die sogenannten Kulturmenschen mit Billardkugeln, Stockknöpfen, feinen Kämmen und<br />
Fächern und ähnlichen ungeheuer nützlichen Dingen zu versehen, werden....achthunderttausend<br />
Kilogramm Elfenbein jährlich verarbeitet. Das ist gleichbedeutend mit der Niedermetzelung von<br />
fünfzigtausend der gewaltigsten Tiere der Welt. (...) Wir wollen auch nicht wiederholen, was bald<br />
Gemeingut des Wissens ist, daß in keinem, aber auch in keinem Fall der Mensch die Natur mit<br />
Erfolg korrigieren konnte. Wo die Singvögel verschwinden, vermehren sich massenhaft<br />
blutsaugende Insekten und schädliche Raupen, die oft schon in wenigen Tagen Weinberge und<br />
Wälder kahl gefressen; wo man die Bussarde abschießt und die Kreuzottern ausrottet, kommt die<br />
Mäuseplage und verdirbt durch die Zerstörung der Hummelnester den zu seiner Befruchtung auf<br />
diese Insektenart angewiesenen Klee; <strong>das</strong> große Raubzeug besorgt die Auslese unter dem<br />
Jagdwild, welches durch die Fortpflanzung kranker Stücke entartet (!), wo seine natürlichen Feinde<br />
fehlen. .."<br />
Nicht nur den unschuldigen Tieren, auch den alten Küchenschürzen wurde hinterhergetrauert:<br />
"Wo sind die Volksfeste und heiligen Bräuche geblieben, dieser Jahrtausende lang unversiegbare<br />
Born für Mythos und Dichtung: der Flurumritt zum Gedeihen der Saaten, der Zug der Pfingstbraut,<br />
der Fackellauf durch die Kornfelder! - Wo der verwirrende Reichtum der Trachten, in denen jedes<br />
Volk sein Wesen, dem Bilde der Landschaft eingepaßt zum Ausdruck brachte!"<br />
Nach diesem ökologisch-volkskundlichen Rundumschlag der Anklagen wurden die Folgerungen<br />
abgeleitet, fehlt der Generalangriff auf den in der Demokratie unvermeidlichen Kampf um<br />
Sonderinteressen, auf <strong>das</strong> Christentum und den Kapitalismus natürlich nicht:<br />
"Gruppen und Grüppchen schließen sich rücksichtslos zusammen um Sonderinteresse, im zähen<br />
Erhaltungskampf stoßen hart aufeinander Gewerbe, Stände, Völker, Rassen, Konfessionen und<br />
innerhalb jeden Verbandes wieder voll Eigennutz und Ehrgeiz die Einzelmenschen. (...) Wenn<br />
schon ´Fortschritt´, ´Zivilisation´, ´Kapitalismus´ nur verschiedene Seiten einer Richtung des<br />
Instinkts bedeuten, so wollen wir uns jetzt erinnern, daß dessen Träger ausschließlich die Völker<br />
der Christenheit sind. Nur innerhalb ihrer wurde Erfindung auf Erfindung gehäuft, hat sich die<br />
´exakte´ d.h. zahlenmäßige Wissenschaft entwickelt, und regte sich rücksichtslos <strong>das</strong><br />
Expansionsbedürfnis, welches die außerchristlichen Rassen unterwerfen und die gesamte Natur<br />
verwirtschaften will." 138<br />
Der Freideutsche Jugendtag 1913 war der erste und der letzte seiner Art. Er war die Heerschau der<br />
Jugend- und Lebensreformbewegung am unmittelbaren Vorabend des Weltkriegs.<br />
Es ist kaum verwunderlich, <strong>das</strong>s Klages nach 1933 versuchte, die Gunst der Stunde zu nutzen, um<br />
eine geistige Führungsrolle in Deutschland einzunehmen. Er scheiterte in der nationalsozialistischen<br />
Ideologiekonkurrenz nicht an fehlendem antisemitischen Eifer, sondern an seinen<br />
zivilisationskritischen technikfeindlichen Ansätzen. Selbst die Germanenschwärmer der NSDAP waren<br />
sich darüber im Klaren, <strong>das</strong>s Naturwissenschaft und Technik für die Umsetzung imperialer<br />
Großmachtsphantasien unverzichtbar wären. 139<br />
Eine Frau wird sich genommen<br />
Klaus Theweleit eröffnete sein Werk „Männerphantasien“ mit der Analyse von sieben Ehen von<br />
soldatischen Männern.<br />
Kapitän Ehrhardt schrieb über seine Frau: „Als junger Kapitänleutnant verheiratete ich mich.“<br />
Weiterhin berichtete er, <strong>das</strong>s sein Schwiegervater ihm ein Häuschen baute, <strong>das</strong>s seine Frau wegen<br />
Überarbeitung von ihm nur den Rücken sah und <strong>das</strong>s <strong>das</strong> Leben in Kiel für seine Frau heiterer war,<br />
als im diesigen Wilhelmshaven. Seine Scheidung und Neuverheiratung mit Prinzessin Hohenlohe<br />
erwähnte er nicht.<br />
138 Zitate aus: Peter von Rüden: Ludwig Klages Grußwort an den Freideutschen Jugendtag 1913 in<br />
www.oekozentrum.org/home/peter_von_rueden/texte/klages.htm<br />
139 Kai Köhler: Die andere Moderne? Ein Sammelband zur Literatur im deutschen Faschismus<br />
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