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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Frauen), sachliche.“ Diese Land voller Helden habe es mit Gegnern zu tun, die voller Feigheit, Lug<br />

und Gemeinheit steckten. 39 Gustav Sack schrieb in seinem Roman „Der verbummelte Student“:<br />

„Käme der Krieg!...Volk gegen Volk, Land gegen Land, ein Stern nichts denn ein tobendes<br />

Gewitterfeld, eine <strong>Menschen</strong>dämmerung, ein jauchzendes Vernichten-! o, ob dann nicht ein<br />

Höheres -.“<br />

Franz Marc schrieb am 26. September 1914 an seinen ausländischen Freund Wassily Kandinsky vom<br />

Blauen Reiter:<br />

„Der Stall des Augias, <strong>das</strong> alte Europa, konnte nur so gereinigt werden, oder gibt es einen einzigen<br />

<strong>Menschen</strong>, der diesen Krieg ungeschehen wünscht?“ 40<br />

Alfons Paquet deutete Anfang 1914 in seinem im „<strong>Neue</strong>n Merkur“, Heft 1 abgedruckten Aufsatz „Der<br />

Kaisergedanke“ die gewünschte Reinigungskatastrope als Flurbereinigung aus: Das Erlöschen der<br />

römischen Kaiserwürde 1806 habe einen rasenden Wettbewerb der europäischen Imperialismen<br />

ausgelöst, einen anarchischen, kostspieligen und entsittigenden Zustand, der nur durch künftige<br />

Kriege oder auf dem Wege einer großen Flurbereinigung zu lösen sein werde. In der Frankfurter<br />

Zeitung vom 27.08.1914 betonte er, <strong>das</strong>s wir bereit seien mit dem blutroten Stift eine neue Weltkarte<br />

zu zeichnen und <strong>das</strong>s Deutschland bereits den <strong>Neue</strong>n <strong>Menschen</strong> in seinem Schoß trage.<br />

„Vielleicht ist der Gedanke der Verwaltung der Erde dieser Gedanke und gibt dem Zeitalter der<br />

Weltwirtschaft, in <strong>das</strong> wir statt mit Freudenfesten und Verbrüderungen mit blutigen Kämpfen<br />

eingetreten sind, seinen kosmischen Sinn.“<br />

Der Nobelpreisträger Rudolf Eucken verstand den Weltkrieg als „Weltbewährungsprobe deutscher<br />

Innerlichkeit“. Die Vernichtung der deutschen Art würde die Weltgeschichte ihres tiefsten Sinnes<br />

berauben. Der jugendbewegte Paul Natorp, einer der Organisatoren des Freideutschen Jugendtages<br />

von 1913 auf dem Hohen Meißner verstand den Krieg als Aufbruch der Jugend. Der Sinn des<br />

Völkermordens sollte ein idealer sein:<br />

„So möchte der Deutsche allerdings gerne die Welt erobern, doch nicht für sich, sondern für die<br />

Menschheit; nicht um etwas dadurch zu gewinnen, sondern um sich zu verschenken.“ 41<br />

Johannes R. Becher peitschte sich buchstäblich auf Biegen und Brechen durch ungelenkes<br />

verwildertes Wortgestrüpp:<br />

O <strong>das</strong>s doch ein Brand unsre Häupter bewölb<br />

Es rascheln gewitternd Horizonte fahlgelb (...)<br />

Wir horchen auf wilde Trompetdonner Stöße<br />

Und wünschten herbei einen großen Weltkrieg. (...)<br />

Die Nerven gepeitschet, die Welt wird zu enge.<br />

Laßt schlagen uns durch Gestrüpp und Gedränge!“<br />

Am 8. August schrieb der bekannte und umstrittene Publizist Maximilian Harden in seinem Periodikum<br />

„Zukunft“:<br />

„Siegen wollen wir. Siegen müssen wir. Cecil Rhodes hat einem Splitterrichter in die Käsfratze<br />

gebrüllt: <br />

Hämmert in alle Herzen den Satz. Klebet ihn alle Mauern. An die Amtshäuser und Straßenecken<br />

der Städte, der Dörfer auf blutrothem Papier. Schreibet darunter: Das Schwert heraus! Der Fuß<br />

frecher Feinde schändet unseren Boden. Schlagt sie tot! Das Weltgericht fragt euch nach den<br />

Gründen nicht!“<br />

Gottes Weltgericht fragt natürlich nach den Gründen für einen Krieg. Der Glaube an ein atheistisches<br />

Weltgericht, welchem von kriegswütigen Publizisten präsidiert würde, dessen oberste Instanz vielleicht<br />

Herr Harden wäre, war in der Vorkriegszeit sehr verbreitet, besonders natürlich unter Zeitungszaren.<br />

39 zitiert in Peter Gay: Die Republik der Außenseiter. Fischer Taschenbuch Verlag 2004, S. 30<br />

40 Dietmar Elger: Dadaismus, Taschen, S 8f.<br />

41 zitiert in: Gerd Koenen: Der Russland-Komplex, C.H.Beck, 2005, S. 55<br />

41

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