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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Gläubig greifen wir zur Wehre<br />

Für den Geist in unserm Blut;<br />

Volk, tritt ein für deine Ehre,<br />

Mensch, dein Glück heißt Opfermut –<br />

Dann kommt der Sieg,<br />

Der herrliche Sieg!<br />

Ein andermal sah Dehmel Deutschland als moralischen Weltpolizisten:<br />

Der Kaiser, der die Flotte schuf,<br />

der steht mit Gott im Bunde,<br />

denn <strong>das</strong> ist Deutschlands Weltberuf:<br />

es duckt die Teufelshunde.<br />

Richard Dehmel, Arnold Zweig, Herbert Eulenburg, Victor Klemperer, Sammy Gronemann und der<br />

Brücke-Kommunarde Karl Schmidt-Rottluff waren in der Presse- und Propaganda-Abteilung des<br />

Landes Ober Ost eingespannt. Ober Ost war ein militärisches Verwaltungsgebiet unter Leitung der<br />

Generäle Ludendorff und Hindenburg, <strong>das</strong> aus Teilen von Polen, Litauen, Lettland und Weißrußland<br />

bestand. Gronemann schuf ein siebensprachiges Wörterbuch für <strong>das</strong> Herdersche Völkerpanorama<br />

zwischen der Düna und den wolhynischen Sümpfen. Er schrieb rückblickend nach dem Krieg:<br />

„In den ersten Kriegsjahren aber herrschte eitel Jubel und Begeisterung ob der Entdeckung der<br />

Ostjuden als der Wahrer deutscher Art und Sprache. Es entstanden begeisterte Lobgesänge auf<br />

ihre Treue, und eine Reihe deutscher Literaten, beileibe nicht nur Juden, bewiesen in tiefgründigen<br />

Abhandlungen, <strong>das</strong>s die Ostjuden eigentlich echte und rechte Deutsche seien, Träger deutscher<br />

Kultur, die in unerhörter Zähigkeit und Anhänglichkeit ihr germanisches Volkstum durch die<br />

Jahrhunderte slawischer Unterdrückung gewahrt hätten.“ 43<br />

In Wirklichkeit dienten alle oben genannten Künstler objektiv der Kriegspropaganda, die auf die<br />

Zersetzung des russischen Reiches durch Entfachung nationaler Leidenschaften im größten<br />

Völkergefängnis der Welt gerichtet war. Koenen schreibt von „verlogener, aber ernst gemeinter<br />

deutscher Kultivierungslyrik“. Arnold Zweig´s lange nach dem Weltkrieg geschriebener Roman „Der<br />

Streit um den Sergeanten Grischa“ war ein nostalgischer Rückblick auf Ober Ost, wie viele<br />

Propagandisten konnte er sich der Faszination des morastigen Multikulti-Reservats nicht entziehen.<br />

Böse <strong>Menschen</strong> kamen in Zweig´s Roman kaum vor, der vermeintliche russische Spion Grischa<br />

wurde nicht Opfer nationaler Ressentiments, sondern kam als Kollateralschaden einer lahmenden<br />

Bürokratie und Nachrichtenübermittlung ums Leben.<br />

Wie in Berlin, so in Wien: Das Kriegshilfscomitee Bildender Künstler hatte <strong>das</strong> Ziel, die künstlerische<br />

Qualität der Propagandamittel zu verbessern. Zu den Mitgliedern zählten Persönlichkeiten wie Egon<br />

Schiele und Alfred Kubin. Die Literarische Gruppe im Wiener Kriegsarchiv hatte die Aufgabe, aus<br />

Kriegsberichten propagandistische Artikel über "Kriegshelden" zu verfassen. Zu den Mitgliedern<br />

zählten Stefan Zweig, Rainer Maria Rilke, Alfred Polgar und Franz Werfel. Weitere Schriftsteller waren<br />

Schreiberlinge des Kriegspressequartiers, z.B. Egon Erwin Kisch, Robert Musil und Hugo von<br />

Hofmannsthal.<br />

Alfred Henschke, genannt Klabund und der Zeichner Richard Seewald gaben <strong>das</strong> Kleine Bilderbuch<br />

vom Krieg heraus. Klabund wurde wegen seiner Tuberkulose als Kriegsfreiwilliger abgelehnt und<br />

musste sich beim Kriegstraktätchen schreiben <strong>das</strong> reformistische Mütchen kühlen. "Köpfe sausen und<br />

tote Münder schrein", reimte er, und:<br />

Ich will mein Herz mit Haß und Vernichtung tränken<br />

Ich will nur einmal einen englischen Kreuzer versenken<br />

Das war ihm jedoch nicht blutig genug. Noch ein Gedicht:<br />

Riesenvögel fielen über Land<br />

Schwarz mit gelben Schnäbeln,<br />

43 zitiert in: Gerd Koenen: Der Russland-Komplex, C.H.Beck, 2005, S. 73f.<br />

43

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