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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Neben einer geringen Verbesserung gab es viele Verschlechterungen gegenüber der alten<br />

Reichsordnung.<br />

Die geringe Verbesserung bestand daraus, daß der neue Kaiser ab nun gewählt wurde und<br />

Reichspräsident hieß. Er war jedoch mit etwa denselben Vollmachten ausgestattet, als vordem der<br />

Kaiser, ja in einigen Bereichen mit mehr. Von Anfang an wurde deshalb von einem Ersatzkaisertum<br />

gesprochen und später, daß der Souverän der Herr des Ausnahmezustands sei. Im wesentlichen<br />

waren die Ausnahmebefugnisse des Reichspräsidenten im § 48 verankert. Das Notverordnungsrecht,<br />

<strong>das</strong> Auflösungsrecht des Reichstags, <strong>das</strong> Ernennungs- und Entlassungsrecht des Reichskanzlers, der<br />

Oberbefehl über die Reichswehr und die Befugnis, direkt den Volkswillen zu befragen, stellten eine<br />

ungeheure Machtfülle dar.<br />

Die Verschlechterung bestand in der unklaren Machtbalance zwischen Reich und Ländern. Das Recht<br />

der Steuererhebung ging von den Ländern an <strong>das</strong> Reich über, zahlreiche Bundesländer wurden<br />

beseitigt und Bayern wurde die eigene Armee weggenommen. Mit der Machtfülle des<br />

Reichspräsidenten verband sich nun eine in ihrer Bedeutung geschwächte Ländervertretung, die dem<br />

Reich nichts entgegenzusetzen hatte.<br />

Die Lösungen der Weimarer Verfassung entbehrten nicht einer inneren Logik. Das Kaiserreich<br />

beschritt einen langen Weg in die Planwirtschaft. Nach dem deutsch-französischen Krieg mit<br />

französischen Reparationsmilliarden aufgepumpt, marschierte die Wirtschaft mit vielen<br />

Zwischenstationen in die zwangs- und planwirtschaftliche Zentralverwaltungswirtschaft des<br />

Weltkriegs. Die Tendenz zur Monopolisierung der wirtschaftlichen Entscheidungen ließ sich besonders<br />

in der Endphase, dem Weltkrieg, nicht mehr bestreiten. Es wäre ein Wunder gewesen, wenn auf der<br />

Basis dieser über Jahrzehnte gewachsenen strammstehenden und grüßenden Kriegs- und<br />

Planwirtschaft ein pluralistischer Bürgerstaat errichtet worden wäre.<br />

Vielmehr erforderte und gebar die Kriegswirtschaft ein zentralistisches und bürokratisches Monstrum<br />

als Staatsüberbau. Es gab in der Nachkriegszeit (und die ganze Weimarer Republik war<br />

Nachkriegszeit) kaum ernsthafte Versuche der Demokratisierung, Dezentralisierung und<br />

Entmonopolisierung.<br />

Ganz anders waren die Notwendigkeiten. Erforderlich wäre ein Bruch mit den Institutionen des<br />

Kaiserreichs gewesen, um die Weltkriegsfolgen zu überwinden, etwa wie später nach dem zweiten<br />

Weltkrieg.<br />

Diese Notwendigkeiten sahen die großen Parteien nicht. MSPD und USPD hatten vom Marxismus<br />

inspirierte Programme und dachten eher an Vergesellschaftung und zentrale Steuerung, als an<br />

marktwirtschaftliche Impulse. In der DDP gaben die Verfechter der planwirtschaftlichen<br />

Gemeinwirtschaft unter Einschluß des Genossenschaftsgedankens den Ton an. Im Zentrum führte die<br />

Betrachtung der Wirtschaft unter den Aspekten der Soziallehre ebenfalls zu unklaren Positionen, denn<br />

die Soziallehre hatte ein durchaus kritisches Verhältnis zur Marktwirtschaft und idealisierte die kleinen<br />

überschaubaren Wirtschaftskreisläufe und korporatistische Wirtschaftsweisen. Für die Verhältnisse<br />

der Großindustrie war <strong>das</strong> unpassend.<br />

USPD, DNVP und DVP hatten keinen großen Einfluß auf die Verhandlungen der verfassunggebenden<br />

Versammlung, ihre Konzepte hätten bei einer Entfaltung als politischer Impuls ebenfalls keine<br />

vorwärtsweisenden Effekte gebracht.<br />

Eigentlich gab es keine kompakte Kraft, die gegen <strong>das</strong> gesellschaftliche System der Kaiserzeit<br />

energisch oder auch nur zögerlich aufmuckte. Ergebnis der Verhandlungen zwischen den<br />

Verfassungsparteien MSPD, Zentrum und DDP war der kleinste gemeinsame Nenner: Alle größeren<br />

Veränderungen in die eine oder in die andere Richtung wurden verhindert, der Status Quo war <strong>das</strong><br />

überwiegende Maß der Dinge. Ergebnis war eine monarchische Republik mit einem Wahlkaiser, der<br />

sich Reichspräsident nannte. Ergebnis auf wirtschaftspolitischem Gebiet war die Schaffung des<br />

Reichswirtschaftsrats, einer Art Ständekammer.<br />

Ein Versuch, Deutschland zu orientalisieren<br />

Staatswirtschaften sind geschichtlich eine Begleiterscheinung des Orients. Im Zweistromland, in<br />

Ägypten, in China und später durch den Mongolensturm auch nach Rußland verschleppt, war <strong>das</strong><br />

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