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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Die Zeit des 2. Reichstags<br />

Die instabilen politischen Isotopen des 2. Reichstags hatten eine Halbwertszeit von nur einem halben<br />

Jahr. Es war jedoch der einzige Reichstag, der nur ein Kabinett verheizte. Es war <strong>das</strong> zweite Kabinett<br />

Marx, <strong>das</strong> keine Mehrheit im Reichstag hatte und aus Zentrum, DVP und DDP geformt worden war,<br />

Eine Koalition der Wahlverlierer der 2. Reichstagswahl.<br />

Zentrum 13,4 %<br />

DVP 9,2 %<br />

DDP 5,7 %<br />

----------<br />

Summe 28,3 %<br />

Unterstützung durch SPD 20,5 %<br />

----------<br />

Summe 48,3 %<br />

Die Arithmetik war nicht so, daß die Regierung auf Gedeih und Verderb der SPD ausgeliefert war,<br />

auch mit Unterstützung der DNVP ließ sich eine Mehrheit erzielen.<br />

1924 war ein Jahr des Aufschwungs, die industrielle und landwirtschaftliche Produktion stieg stark, die<br />

Arbeitslosenzahl sank. Und vor allem mußten sich die elitaristischen Parteien nach dem Hamburger<br />

Aufstand und dem Marsch auf die Feldherrnhalle, nach den zeitweiligen Verboten ihrer Parteien erst<br />

regenerieren. Hitler saß gerade in der Festung, in der völkischen Bewegung und in der KPD herrschte<br />

gleichzeitig Führungschaos. Entsprechend war die 3. Reichstagswahl 1924 die einzige<br />

Reichstagswahl, aus der alle drei Regierungsparteien gestärkt hervorgingen.<br />

Im April wurde in Paris ein Gutachten zur Regelung der deutschen Reparationen veröffentlicht. Darin<br />

wurde die Höhe der Reparationen gemildert. Im August plädierte England für die sofortige Räumung<br />

des Ruhrgebiets. Im August nach Beendigung der politischen Hahnenkämpfe zwischen Berlin und<br />

Paris durften 180.000 ausgewiesene Deutsche in <strong>das</strong> Ruhrgebiet zurückkehren. Zwischen DDP und<br />

Zentrum kam es im Oktober zum Streit, ob die konservative DNVP in die Regierung aufgenommen<br />

werden soll. Daraufhin trat die Regierung zurück und der Reichstag wurde aufgelöst.<br />

Körperliche und demokratische Grenzen<br />

Die Alten Germanen hatten ihre legendäre Kraft durch archaisches Doping befördert. Siegfrieds<br />

Drachenblutpanzer, Brunhildes Kraftgürtel, die verhängnisvolle Tarnkappe, Magie und Zauberei hatten<br />

ins äußerste gesteigerte burgundische bzw. isländische Trainingsprogramme entbehrlich gemacht.<br />

Auch im alten Olympia, welches zufällig nicht sehr entfernt von Sparta situiert war, gehörten Doping<br />

und Unfairnis zum guten Ton.<br />

Anders in der modernen olympischen Bewegung. Hier sollte der Einzelne an seine körperlichen<br />

Grenzen geführt werden. Michael Gamper schrieb am 15.09.2006 im Tages-Anzeiger:<br />

„Im Milieu der zivilisationspessimistischen Strömungen des späten 19. Jahrhunderts entstand auch<br />

<strong>das</strong> ideologische Konstrukt, <strong>das</strong> wir bis heute unter dem Namen «Sport» kennen. Pierre de<br />

Coubertin, der Begründer der olympischen Bewegung, erhielt für sein Sportkonzept entscheidende<br />

Einflüsse von den Public Schools, den Eliteinstitutionen des englischen Schulsystems, er stand<br />

aber auch stark unter dem Eindruck des Niedergangs des eigenen Landes. Der verlorene Krieg<br />

gegen Preussen (1870), der Kommune-Aufstand in Paris (1871) und bedrohliche demografische<br />

Tendenzen liessen ihn um die Zukunft von Frankreich fürchten. Sport schien ihm <strong>das</strong> probate<br />

Gegenmittel zu sein, um den «degenerativen» und nivellierenden Tendenzen, dem Versinken in<br />

Krankheit und Mittelmass, entgegenzuwirken. Sport war für Coubertin eine Beschäftigung, die den<br />

Einzelnen leistungsorientiert, stark, widerstandsfähig, teamfähig machte, kurzum: die ihn physisch<br />

und psychisch auf die komplexen Anforderungen des modernen Lebens vorbereitete. Um<br />

nutzbringend zu sein, mussten die Leistungen mit Respekt für den Gegner und unter fairen<br />

Bedingungen erbracht werden. Materielle Interessen durften keine Rolle spielen, weshalb der<br />

olympische Sport den Amateurismus verlangte. Dieses Ideal war auch gegen die Masse gerichtet.<br />

Es wandte sich gegen die von Nietzsche monierte Herdenmentalität, also gegen eine<br />

Fremdbestimmung des <strong>Menschen</strong> im Kollektiv. Wer Sport im coubertinschen Sinn ausübte, sollte<br />

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