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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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eine großartigere Perspektive, als zwei Pfennige mehr Ecklohn oder die Stundung der fälligen Steuer<br />

für ein oder zwei Jahre.<br />

Hans Mommsen erinnerte in "Aufstieg und Untergang der Republik von Weimar" daran, daß selbst in<br />

der DDP ein eigenständiger "deutscher Staatsgedanke" gepflegt wurde, der den germanischen<br />

Genossenschaftsgedanken fortführte. 395 Es habe kaum eine Richtung im bürgerlichen Lager gegeben,<br />

die sich nicht in Abkehr zum westlichen Parlamentarismus auf die Stein´sche Verfassungsreform<br />

berufen hätte. Hier muß erklärend hinzugefügt werden, daß Reichsfreiherr von Stein von<br />

mittelalterlichen Staatsgedanken beeinflußt war, die er zudem idealisierte. Diese Gedanken waren<br />

nicht weit von den Ideen der Volksgemeinschaft und eines traditionellen Korporatismus entfernt, die<br />

später eine größere Rolle spielen sollten.<br />

Ein bezeichnendes Schlaglicht wirft die Vereinigung mit dem Jungdeutschen Orden auf <strong>das</strong> politische<br />

Konzept der linksreformistischen DDP. Der Jungdeutsche Orden war eine jener parteikritischen<br />

bündischen Organisationen (1919 aus einem Freikorps hervorgangen), die für den deutschen Weg<br />

nach 1900 typisch waren. Man verstand sich als Jugendbewegung und die Selbstbetitelung als Orden<br />

versprach mehr ritterliche Mittelalterromantik, als einen modernen bürgerlichen Parteibetrieb.<br />

Antikommunismus und Antiplutokratismus sowie die Volksgemeinschaft standen im Programm. 1930<br />

hatte sich der Jungdeutsche Orden mit der Volksnationalen Reichsvereinigung (VnR)<br />

zusammengeschlossen. Die VnR präsentierte sich als Partei der nationalen Erneuerung und wollte<br />

den wahren Volksstaat schaffen. 396 Die Vereinigung der DDP mit dem Jungdeutschen Orden war von<br />

der Umbenennung in "Deutsche Staatspartei" begleitet. Das war nun der letzte Beweis, daß es sich<br />

nicht um eine liberale Partei handelte, sondern um einen unaufgeklärten Beamtenbund, die<br />

Wahlergebnisse in Berlin ließen sich in Abhängigkeit der Entfernung zum Regierungsviertel in<br />

konzentrischen Kreisen darstellen: mit wachsender Entfernung zur Ohnmachtszentrale der deutschen<br />

Politik nahm die Zustimmung zur DStP deutlich ab. Ein kleiner Tropfen Anarchismus, verdünnt in<br />

einem Ozean der Einsicht in die Notwendigkeit des Staates gehört in einer liberalen Partei zu den<br />

Notwendigkeiten der Profilierung, in der Deutschen Staatspartei dagegen stand die Vergötzung des<br />

Staates schon im Namen. Zwei der kulturellen Wende der Jahrhundertwende verpflichtete Parteien-<br />

Bünde hatten sich vereinigt, wobei die DDP <strong>das</strong> dünne und zerlumpte liberale Mäntelchen endgültig<br />

von sich warf und was die bündische Attitüde betraf, in die Schönheitskonkurrenz mit den<br />

Nationalsozialisten trat. Es war eine Mißwahl.<br />

1930 druckte die Staatspartei ein Plakat mit einem apokalyptischen Trommler: Staatsvolk an die Front!<br />

Wie sollte der unbedarfte Wähler den Unterschied zur NSDAP erkennen? Trommeln konnte die<br />

NSDAP besser, als die Staatspartei.<br />

Wegen der mangelnden Unterscheidbarkeit im Programm wurde dem Wechsel des Wählerklientels zu<br />

den Nationalsozialisten <strong>das</strong> Tor weit aufgesperrt. In dem Moment, wo die Nationalsozialisten ihren<br />

Antisemitismus aus taktischen Gründen mäßigten, wurde die Unterscheidbarkeit noch geringer. Man<br />

wählte zum Schluß diejenigen, die <strong>das</strong>selbe Programm hatten, aber im Wettlauf um vermeintliche<br />

Parteiferne glaubwürdiger waren.<br />

Wilhelm Busch hatte die Liberalen als diejenigen charakterisiert, die den Pfarrer nicht grüßten:<br />

„Schweigen will ich von Lokalen, wo der Böse nächtlich prasst, Wo im Kreis der Liberalen Man den<br />

heil´gen Vater haßt.“ Selbst im Antiklerikalismus wurden die Liberalen von den Nationalsozialisten<br />

überholt. Es blieb kein eigenständig besetztes Politikfeld übrig.<br />

Die Losungen der DVP waren genauso schlabbrig, als die der DDP. Geordnete Zustände, Deutsche<br />

Freiheit, Deutsches Recht, Deutscher Geist waren die Parolen von 1919.<br />

Gustav Stresemann hatte auch im Wahlaufruf von 1928 nur allgemeinschießende Pfeile im Köcher:<br />

die Ansprüche der Zeit befriedigen, sachliche Realpolitik, Verzicht auf extreme Meinungen. 397 Wie<br />

Recht hatte er, seine Forderungen hätten jeder Partei gut gestanden. Seine Parolen schärften in ihrer<br />

Allgemeinheit jedoch nicht <strong>das</strong> Profil einer liberalen Partei.<br />

Ein typisches Parteimitglied der DVP war der Nobelpreisträger Max Planck. Das allgemeine Wahlrecht<br />

lehnte er ab und führte später die Nazionalsozialistische Herrschaft auf <strong>das</strong> "Emporkommen der<br />

Herrschaft der Masse" zurück. Sein Verhältnis zur Demokratie war mehr als ambivalent:<br />

395 S. 243<br />

396 Hans Fenske: Deutsche Parteiengeschichte, S. 188 f<br />

397 Ansprache von G. Stresemann aus www.hdm.de/sammlungen/zendok/weimar/strese.html<br />

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