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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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politische Heimat in den deutschen Staatsgrenzen; es gab seit dem Tode Eugen Richters keine<br />

liberale marktwirtschaftlich gesinnte Partei mehr; die einzige denkbare Verkörperung des fremden<br />

marktwirtschaftlichen Wertesystems waren die Handel treibenden Juden. Wilhelm Busch textete:<br />

Und der Jud mit krummer Ferse<br />

Krummer Nas´und krummer Hos´<br />

Schlängelt sich zur hohen Börse<br />

Tief verderbt und seelenlos.<br />

Erschwerend für die Akzeptanz und für die Emanzipation der Juden von antijüdischen Vorurteilen kam<br />

hinzu, daß Juden sich auf Grund ihrer Religion weder im Zentrum noch in den konservativen Parteien<br />

politisch zu Hause fühlen konnten. Sie waren entweder apolitisch und verdienten Geld oder sie<br />

strömten in die gemäßigt reformistischen, in die marxistischen und leninistischen Parteien.<br />

Bereits 1911 hatte der Ökonom Werner Sombart, der vor dem Ersten Weltkrieg sozialistischen Ideen<br />

nahestand, über den Zusammenhang zwischen Judentum und Kapitalismus nachgedacht. 122 Er<br />

merkte, um den Unterschied zur deutschen Wertordnung zu charakterisieren, an: "Das Jüdische<br />

Gesetz hat keinen Ausdruck für die Verpflichtung, es kennt nur Schuld und Forderung." 123 Dem<br />

germanischen Prinzip "Mache keinen Kunden abspenstig weder durch Worte noch Briefe, und tue<br />

nicht anderen an, was andere Dir nicht antun sollen", stellte sich nach Meinung des Ökonomen<br />

Sombart ein jüdisches Prinzip entgegen:<br />

"Endlich <strong>das</strong> jüdische Gesetz begünstigt <strong>das</strong> industrielle Laisser-faire. So finden wir im Sulchan<br />

Aruch: Wenn jemand in seiner Straße ein Handwerk beginnt, und niemand von seinen Nachbarn<br />

protestiert, und danach einer von den anderen Bewohnern der Straße denselben Beruf zu führen<br />

wünscht, so darf sich der erste nicht beschweren, daß der <strong>Neue</strong> ihm <strong>das</strong> Brot wegnimmt, und nicht<br />

versuchen ihn zu behindern." 124<br />

"Mit jedem Schritt verstießen sie (die Juden) gegen ökonomische Grundsätze und die<br />

wirtschaftliche Ordnung. Das scheint klar genug durch <strong>das</strong> einstimmige Klagen der christlichen<br />

Händler überall" 125<br />

Nicht nur daß Sombart der Welt der zünftigen Handwerker und Händler die Welt der Juden<br />

entgegenstellte, auch England wurde in die Überlegung einbezogen, eskortiert von Gänsefüßchen<br />

ging er zum Angriff auf die Insel über: "Ich würde also die Worte von Heine wiederholen, der eine klare<br />

Einsicht in die meisten Dinge hatte." Er ließ Heine fragen:<br />

"Sind nicht die Puritaner schottische Hebräer, mit ihren biblischen Namen, ihrem Jerusalem, dem<br />

pharisäischen Kauderwelsch? Und ist nicht ihre Religion ein Judaismus, der <strong>das</strong> Essen von<br />

Schweinen erlaubt?"<br />

"Puritanismus ist Judaismus" behauptete Sombart und verwies auf Cromwell, der die Juden sehr<br />

förderte und <strong>das</strong> Judentum sehr verehrte. 126<br />

1911 waren Sombart die Rassentheorien geläufig, die als neue Heilslehre die jüdische und die<br />

christliche Religion gleichermaßen ersetzen sollten, als Theorie der arischen oder germanischen<br />

Mission, einer moderne Form des Glaubens an ein auserwähltes Volk. 127 Sombart war dem Zeitgeist<br />

entsprechend antikapitalistisch gesonnen, und der Antikapitalismus wurde durch einen subtilen<br />

Antisemitismus untermauert, gestützt und begründet.<br />

Der Antisemitismus und seine Einbindung in die Abneigung gegen den Kapitalismus war also<br />

durchaus keine Erfindung Adolf Hitlers. Hitler setzte auf Überzeugungen, die bereits in der Kaiserzeit<br />

fest im öffentlichen Bewusstsein verankert waren. Alle Vorbehalte gegen den eingebildeten Feind, <strong>das</strong><br />

Judentum, gab es bereits, sie mußten nur hervorgeholt, aufgewärmt und und endlos nachgeplappert<br />

werden.<br />

122 Werner Sombart, Die Juden und <strong>das</strong> Wirtschaftsleben, Duncker und Humblot, Leipzig, 1911<br />

123 s.o. Seite 79<br />

124 s.o. Seite 248<br />

125 s.o. Seite 127<br />

126 s.o. Seite 249 f<br />

127 s.o. Seite 321<br />

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