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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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„Unsereiner soll da, scheint mir, ohne Hochmut helfen; soll an <strong>Menschen</strong>, die selber zu denken<br />

gewohnt und, im Gegensatz zu den Marxklerikern, den Gedanken Andrer geöffnet sind, keine<br />

gebosselten Dogmen herantragen: friß, Paetel, oder stirb! Nein, so nicht; sondern: (ohne<br />

Kompromiß) in Kameradschaft diskutieren. (...) Und man vergesse nie, zu forschen: wo steckt im<br />

Gegner der Freund? Ich fühle mich Jedem brüderlich verbunden, der sich als rein, wahrhaftig,<br />

unabhängig, unbestechlich, als Diener am Geiste erweist; der aufrecht, doch unstarr schreitet, weil<br />

er an keine versteinerte Doktrin gefesselt ist; der den Klassenkampf auf der Seite der<br />

unterdrückten Klasse kämpft, vielmehr diese Klasse aus ihrer Zerklüftung zur Einheit, zu<br />

wirklichem Kampfe, zum Siege zu erlösen strebt; der aber weiß, daß der Prolet noch andres ist als<br />

Prolet, daß es heilige Ziele gibt noch jenseits des Klassenkampfs.“<br />

Auch die Splittergruppe des Leonhard Stark, der Stark-Bund warb mit Hammer, Sichel und<br />

Hakenkreuz für die echte deutsche Tat.<br />

Vom Reformismus zum Nationalsozialismus<br />

1932 waren die gemäßigten Reformisten der DDP und der DVP auf ein Niveau der politischen<br />

Bedeutungslosigkeit geschrumpft. Nach diesem Abgang der gemäßigten Reformisten von der<br />

politischen Bühne ist hier ein Nachruf am Platze.<br />

Die Kommunisten stellten <strong>das</strong> Überlaufen eines spezifischen Wählermilieus von den Reformisten zu<br />

den Nationalsozialisten als einen Akt der Enttäuschung entwurzelter Schichten des Kleinbürgertums<br />

dar, wobei die Enttäuschung sich selbstredend auf den Kapitalismus bezieht. Nur der Sozialismus gibt<br />

dem Kleinbürger Geborgenheit, so die kommunistischen Argumente damals wie heute.<br />

Daran ist sicher auch wahres, allerdings müssen die Begriffe des Kleinbürgertums und des<br />

Kapitalismus geschärft werden, um die Enttäuschung richtig deuten zu können.<br />

Sollte man annehmen, daß die Erwartungen des betrachteten Wählerklientels sich zwischen 1919 und<br />

1932 änderten oder blieben diese Erwartungen eher gleich ?<br />

Zwischen 1919 und 1932 lagen nur 13 Jahre. Das Wahlrecht begann in der Weimarer Republik mit 21<br />

Jahren und die Lebenserwartung betrug etwa 65 Jahre. Das bedeutet, daß jeder Wähler etwa 44<br />

Jahre im Wahlalter war. In 13 Jahren kamen über den Daumen rund 30 % Neuwähler hinzu, etwa 70<br />

% der Wähler von 1932 waren auch 1919 schon wahlberechtigt gewesen.<br />

Man kann also davon ausgehen, daß ein Großteil des Wählerklientels, <strong>das</strong> sich 1919 für die<br />

gemäßigten reformistischen Parteien entschieden hatte, 1932 noch wählte.<br />

Nun müssen wir uns zurückerinnern, welches Programm die DDP 1919 verkörpert hatte. In den<br />

Bausteinen der DDP war von der Schaffung marktwirtschaftlicher Fundamente nach dem Weltkrieg<br />

nicht die Rede. Schon 1919 wirkte <strong>das</strong> Programm verschwommen, mit Forderungen nach gleichen<br />

Rechten für alle, Frauenwahlrecht, Schutz der Familie und Völkerbund.<br />

1928 enthielt der Wahlaufruf zur Reichstagswahl lediglich in sich widersprüchliche Forderungen nach<br />

Steuersenkung, Preisabbau, Stärkung der Kaufkraft des Binnenmarktes und Steigerung der<br />

Ausfuhr. 394 Alle diese vier Forderungen hatten nichts mit Marktwirtschaft zu tun, drei der Forderungen<br />

rochen nach Dirigismus und Staatsinterventionismus, ließen sich, um mit Graf Lambsdorff zu<br />

sprechen, nur mit den Marterwerkzeugen der Planwirtschaft erreichen, und hätten auch im Programm<br />

der Nationalsozialisten stehen können. Die starke Fixierung der Demokraten auf Gemeinwirtschaft,<br />

Genossenschaftswesen und Ausgleich von Kapital und Arbeit verhinderte eine klare Abgrenzung zu<br />

den Nationalsozialisten. Das Bekenntnis zur Privatwirtschaft, <strong>das</strong> gelegentlich mitschwang, förderte<br />

die Unterscheidbarkeit auch nicht, denn außer den Kommunisten waren alle für die staatlich gelenkte<br />

Privatwirtschaft. Der Nationalsozialismus gewann seine Überlegenheit gegenüber reformistischen<br />

Steuersenkungsparolen und sozialdemokratischen Lohnsteigerungsversprechungen durch <strong>das</strong><br />

ausdrückliche Hintansetzen materieller Interessen, den Ersatz von Wohlstand durch Erlösung. Statt<br />

Streikbereitschaft wurden Opfer verlangt, Selbstverleugnung sollte den Marsch durch <strong>das</strong> nächste<br />

Jahrtausend begleiten, aber dieser Marsch zur Weltherrschaft war für viele einfältige Zeitgenossen<br />

394 Ansprache von Hermann Fischer aus www.hdm.de/sammlungen/zendok/weimar/fischer.html<br />

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