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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Nach dem Hinauswurf von Groener war die Position des Generals v. Schleicher gestärkt worden.<br />

Schleicher betrieb sofort den Kauf der Mehrheit der Vereinigten Stahlwerke durch <strong>das</strong> Reich, womit er<br />

direkten Zugriff auf einen wichtigen Lieferanten der Reichswehr erlangte. Die Reichswehrführung<br />

glaubte die Rüstungsgüter billiger, nämlich ohne den Gewinnanteil zu erlangen, wenn die<br />

Rüstungsindustrie dem Reich gehörte. Brüning entschloß sich, zusammen mit Finanzminister Dietrich<br />

die alleinige Verantwortung für den Kauf zu übernehmen, nach außen hin wurde der Kauf mit der<br />

Absicht begründet, später einen Teil der Fertigwarenproduktion wieder abzugeben, um die<br />

mittelständische Industrie der Metallwarenbranche zu stärken. 393<br />

Zu diesem "Später" sollte es nicht kommen; am 29. Mai 1932 forderte der Reichspräsident Brüning<br />

zum Rücktritt auf. Äußerer Anlaß war vielleicht <strong>das</strong> Ostsiedlungsprogramm der Regierung, <strong>das</strong> mit<br />

den Interessen der Großagrarier kollidierte, der Grund lag wohl tiefer. Der Reichspräsident war den<br />

Einflüsterungen von Papens und General von Schleichers ausgesetzt, und beide sägten an Brünings<br />

Stuhl, um selbst Reichskanzler zu werden. Von Papen und von Schleicher waren die konservativ<br />

maskierten Agenten des Reformismus, die die mittlerweile latente Wechselstimmung an den betagten<br />

Reichspräsidenten herantrugen. Am 30.5.1932 kam es zum Rücktritt des Reichskanzlers und der<br />

Regierung. Der Weggang von Brüning beschleunigte <strong>das</strong> Desaster, da seine Nachfolger über immer<br />

winzigere parlamentarische Hausmächte geboten.<br />

Der neu bestimmte Kanzler v. Papen installierte eine Regierung des Hochadels, die nur von der DNVP<br />

unterstützt wurde. Drei Tage nach seiner Einsetzung kam er durch Austritt seinem Hinauswurf aus<br />

dem Zentrum zuvor. Das Zentrum verübelte ihm die Beteiligung am Sturz von Brüning. Am 4.6.1932<br />

traf er eine katastrophale Entscheidung. Auf Antrag Papens löste der Reichspräsident den Reichstag<br />

auf und schrieb Neuwahlen zum 31. Juli aus. Am 14. Juni wurden auf Grund einer Notverordnung des<br />

Reichspräsidenten SA und SS wieder zugelassen. Folgerichtig entwickelten sich bürgerkriegsartige<br />

Zustände. Im Wahlkampf kamen 86 Wahlkämpfer um, darunter 68 Reformisten und nur 18<br />

Demokraten. Der Wahlkampf wurde zum Vorwand genommen, die preußische Regierung abzusetzen.<br />

Nach blutigen Zusammenstößen zwischen Rotfrontkämpferbund und SA im preußischen Altona, wo<br />

18 Leute, überwiegend Unbeteiligte umkamen, wurde der SPD-geführten preußischen Regierung<br />

vorgeworfen, die Kontrolle über die Polizei verloren zu haben. Die preußische Regierung wurde durch<br />

einen Reichskommissar ersetzt.<br />

In diesem aufgeheizten Klima und nach der Demütigung der preußischen SPD fand am 31. Juli 1932<br />

die sechste Reichstagswahl statt.<br />

Wahl zum 6. Reichstag im Juli 1932:<br />

SPD 21,6 % ( - 2,9 %)<br />

KPD 14,6 % (+ 1,5 %)<br />

DStP 1,0 % ( - 2,8 %)<br />

DVP 1,2 % ( - 3,6 %)<br />

NSDAP 37,4 % (+19,1 %)<br />

Landvolk 0,3 % ( - 2,9 %)<br />

WP 0,4 % ( - 3,6 %)<br />

DNVP 5,9 % ( - 1,1 %)<br />

CSVd 1,1 % ( - 1,4 %)<br />

Zentrum/BVP 15,7 % (+ 0,9 %)<br />

Sonstige 0,9 % ( - 3,0 %)<br />

Die NSDAP hatte bis zum Sommer 1932 die ideologisch angrenzenden gemäßigt reformistischen und<br />

korporatistischen Mileus weiter ausgezehrt. Ob es Anhänger der Idee der Volksgemeinschaft waren,<br />

wie die der DStP, Anhänger völkischer, korporatistischer und neokonservativer Anschauungen wie der<br />

Landbund, die Wirtschaftspartei oder die DNVP, alle wurden auf ihren harten Kern<br />

heruntergedrechselt. Nach der Wahl hatten die beiden radikalreformistischen Parteien definitiv die<br />

Mehrheit im Reichstag. An eine parlamentarische Arbeit war nicht mehr zu denken. Am Tag nach der<br />

Wahl starben wieder 20 Fundamentalisten im Bürgerkrieg auf Deutschlands Straßen.<br />

393 Manfred Nussbaum: Wirtschaft und Staat in Deutschland während der Weimarer Republik, Akademie-Verlag,<br />

berlin 1978, S. 325 f<br />

316

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