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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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Schwierigkeiten bei der Parlamentarisierung<br />

Die beschränkte historische Schulweisheit nimmt an, daß repräsentative parlamentarische<br />

Vertretungen in Deutschland von den bürgerlichen Ständen erkämpft worden seien. Das ist ein Irrtum.<br />

In Deutschland kämpfte die monarchistische Obrigkeit gegen hinhaltenden Widerstand der Untertanen<br />

und deren Repräsentanten nicht nur um die Judenemanzipation und die Gewerbefreiheit, sondern<br />

auch um die Einführung der repräsentativen Demokratie.<br />

Anhand der Kommunalordnung des Großherzogtums Sachsen-Weimar-Eisenach und der<br />

Protokollbücher einer sächsisch-weimarischen Gemeinde läßt sich <strong>das</strong> exemplarisch nachvollziehen.<br />

Am 28. März 1840 erschien im Regierungsblatt für <strong>das</strong> Großherzogthum Sachsen-Weimar-Eisenach<br />

die Bekanntmachung der neuen Gemeindeordnung. "Auf höchsten Befehl Sr. Königlichen Hoheit des<br />

Großherzogs, wird die nachstehende, mit dem getreuen Landtage verabschiedete allgemeine<br />

Landgemeinde-Ordnung hierdurch zur Nachahmung öffentlich bekanntgemacht."<br />

"In der Erwägung, daß eine wohlgeordnete Verfassung der Gemeinden im Staate die<br />

Staatsverwaltung selbst erleichtert und unterstützt, zugleich aber die Wohlfart der Unterthanen<br />

befördert, glauben Wir einem wesentlichen, auch von den Ständen des Großherzogthums<br />

wiederholt anerkannten Bedürfnisse abzuhelfen, indem wir die in einigen Theilen des Landes noch<br />

bestehenden mangelhaften und sehr verschiedenartigen Rechts- und Verwaltungsverhältnisse der<br />

Landgemeinden durch eine allgemeine Landgemeinde-Ordnung zu regeln beschlossen haben."<br />

"Vom 1. Juli 1840 an treten für alle Ortsgemeinden, denen Stadtrecht nicht zusteht, die<br />

Vorschriften der allgemeinen Landgemeinde-Ordnung in gesetzliche Kraft, so daß diejenigen<br />

landesgesetzlichen und ortsgesetzlichen Bestimmungen, Gemeindebeschlüsse und Herkommen,<br />

welche jenen Vorschriften entgegenstehen, vom gedachten Tage an aufgehoben sind."<br />

Der Sinn der neuen Kommunalordnung war es, die Zusammentritte der altgermanischen<br />

Gemeindevollversammlung der männlichen Nachbarn durch ein repräsentativ-parlamentarisches<br />

Gremium, den Gemeindevorstand zu ersetzen. Weiterhin sollten Bekanntmachungen der<br />

Tagesordnung und Ladungsfristen geregelt werden.<br />

"Die Vertretung der Gemeinde und die Besorgung ihrer Angelegenheiten geschieht in der Regel<br />

durch den Ortsvorstand. Eine Versammlung der Ortsnachbarn ist nur noch zulässig und deren<br />

Schlußfassung erforderlich: 1) zur Verkündung der Gesetze und Verordnungen, auch<br />

obrigkeitlicher Befehle, soweit letztere die Gesamtheit der Gemeinde angehen; 2) zur Vorlesung<br />

der Gemeinderechnung; 3) zur Wahl der Gemeindevorsteher; 4) zur Aufnahme nicht<br />

heimathsberechtigter Fremder in die Reihe der Nachbarn; 5) wenn neue oder erhöhete<br />

Gemeindeleistungen oder eine veränderte Umlage derselben beschlossen werden sollen; 6) wenn<br />

ein Verzicht auf Rechte oder Befugnisse, welche bis dahin in der Gemeinde zum Privat=Vortheile<br />

benutzt werden durften, zu Gunsten der Gemeinde in Frage steht; 7) wenn Grundstücke auf<br />

Rechnung der Gemeindekasse durch Kauf, Tausch oder andere Weise erworben oder veräußert<br />

werden sollen; 8) wenn über die Frage, ob ein Neubau auf Kosten der Gemeinde vorzunehmen<br />

sey, zu beschließen ist; 9) wenn es sich um die Aufnahme solcher Darlehen handelt, welche nicht<br />

von den Einkünften des laufenden Jahrs wieder gedeckt werden; 10) in allen Fällen, wo die<br />

Aufsichtsbehörde eine Vernehmung und Schlußfassung der Gemeinde selbst ausdrücklich<br />

vorschreibt".<br />

Auch nach dieser geänderten Ordnung waren die Befugnisse der Gemeindeversammlung aller<br />

Nachbarn wesentlich größer als im heutigen Rechtssystem. Das Ziel war es jedoch einen Teil der<br />

weniger grundlegenden Beschlüsse in einem repräsentativen parlamentarischen Gremium zu treffen.<br />

"Eine Gemeindeversammlung findet nur Statt in Folge einer Zusammenberufung durch den<br />

Schuldheißen..... Die Berufung einer Gemeindeversammlung muß mindestens Tags vorher durch<br />

mündliche Bestellung, zu einer Wahlversammlung aber 8 Tage vorher durch schriftlichen Anschlag<br />

geschehen. Dabei ist der Zweck, die Zeit und der Ort der Versammlung mit bekanntzumachen,<br />

unter Androhung einer angemessenen Gemeindebuße für jeden, welcher ohne hinreichenden<br />

Entschuldigungsgrund ausbleibt oder zu spät erscheint. Zum Behufe bloßer Bekanntmachungen in<br />

Gemeinde=Verwaltungsangelegenheiten darf der Schuldheiß die Ortsnachbarn jederzeit<br />

zusammenrufen, und es bewendet deshalb auch bei der örtlich hergebrachten<br />

Zusammenberufungsweise."<br />

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