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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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schlug der amerikanische Präsident Hoover einen einjährigen Aufschub für die Reparationszahlungen<br />

vor. Ende Juli kam es zu Treffen der Reichsregierung mit französischen Regierungsvertretern und<br />

eine internationale Sieben-Mächte-Konferenz zur deutschen Finanzlage fand statt. Gleichzeitig<br />

verkündeten Hitler, Hugenberg und Seldte, daß sie internationale Zahlungsverpflichtungen<br />

Deutschlands im Falle einer Regierungsübernahme nicht mehr erfüllen würden. Im August wurden die<br />

Reparationszahlungen für ein Jahr ausgesetzt. Der deutschen Regierung stand <strong>das</strong> Wasser bis zum<br />

Hals, aber jedes Entgegenkommen der Alliierten war immer zu wenig, da es jedes Mal zu spät kam.<br />

Letztlich sollten die Kriegsgewinner ab Mitte 1932 keinen Pfennig mehr bekommen, aber sie<br />

verzichteten spät, vielleicht zu spät. Die Reparationsfrage blieb eine Belastung der Republik. In ihrem<br />

dunklen Schatten verbarg sich der allgemeine Reformstau, der die ganze Wirtschaftsverfassung<br />

betraf.<br />

Im September 1931 diskutierte die Reichsregierung erstmals über Siedlungen für Arbeitslose. Land im<br />

Besitz der öffentlichen Hand sollte für die Bebauung freigegeben werden, um Arbeitslose zu<br />

Selbstversorgern zu machen. Die Siedlungsfrage sollte zu einer Zusatzbelastung der Republik<br />

werden, da die Junker im Osten um ihre Ländereien bangten und Hindenburg gegen Brüning<br />

aufbrachten.<br />

Ein republikanischer Sargnagel wurde aus der Frage geschmiedet, ob Deutschland und Österreich<br />

eine Zollunion bilden dürften. Die Regierung erarbeitete einen Vorschlag für eine Zollunion mit<br />

Österreich, die als Muster für eine neue Wirtschaftsordnung in Europa gedacht war. Endlich eine Idee,<br />

die aber bei den Alliierten auf Skepsis und in Frankreich auf harte Ablehnung stieß. So kam es am<br />

7.10.1931 zum Rücktritt des Außenministers Curtius (DVP), der sich in dieser Frage engagiert hatte.<br />

Der Rücktritt eines Ministers ist eigentlich ein normaler Vorgang, aber dieser Rücktritt löste eine<br />

Regierungsumbildung aus, die vom Druck des Reichspräsidenten nach einem weiteren Rechtsruck<br />

begleitet war. Die Kabinettsumbildung war gleichbedeutend mit dem Ausscheiden der DVP und der<br />

Wirtschaftspartei aus dem Kabinett. Es entstand eine ungünstigere Arithmetik:<br />

Zentrum/BVP 14,8 %<br />

DStP 3,8 %<br />

----------<br />

Summe 18,6 %<br />

Unterstützung durch SPD 24,5 %<br />

----------<br />

Summe 43,1 %<br />

Am 10.10.1931 wurde Hitler von Reichskanzler Brüning schon wieder zu einer Unterredung über die<br />

Regierungsbeteiligung gebeten, und wieder nur mit dem Ergebnis einer Aufwertung der NSDAP.<br />

Bereits einen Tag später wurde die Harzburger Front aus NSDAP, DNVP und anderen Extremisten<br />

gebildet, um die Regierung zu stürzen. Die DNVP befand sich übrigens in einer für sie letztlich<br />

tödlichen Transformationsphase. Eduard Stadtler, der 1930 unter Hugenberg zum<br />

Reichsschulungsleiter der DNVP aufgestiegen war, propagierte die Umformung der Partei von einer<br />

Honoratiorenpartei zu „einer modern aktivistischen Gemeinschaftsbewegung...und reinen Gefolgschaft<br />

einer in sich ruhenden ... schöpferischen Persönlichkeit.“ Gemeint war Hugenberg. 388 Die DNVP lief<br />

unter dem Druck des Generationswandels dem Zeitgeist hinterher, warf den monarchistischen Ballast<br />

von sich und wurde eine weitere Führerpartei. Mit der Harzburger Front wähnte sich Stadtler am Ziel<br />

und frohlockte: „Die Deutschnationale Partei ist mit einem Wort Hugenberg-Bewegung geworden.“<br />

Endlich hatte die jugendbewegte Seele Ruh.<br />

Während Brüning mit Hitler sprach, kam es in Italien zum Kulturkampf zwischen Mussolini und dem<br />

Vatikan. "Il Duce ha sempre ragione" (Der Führer hat immer Recht) wurde zur Parole der Faschisten.<br />

Im Zuge dieser Rechthaberei begann Mussolini Mitte 1931 gegen die Laienorganisation der<br />

katholischen Kirche, die Katholische Aktion vorzugehen. Der Vatikan reagierte mit der Enzyklika "Non<br />

abbiamo bisogno" (Wir haben es nicht nötig). Der Papst wetterte gegen die Vergötzung des Staates in<br />

heidnischem Sinne und gegen jene Revolution, die der Kirche und Jesus Christus die Jugend entreißt<br />

und ihre Kräfte zum Haß, zur Gewalt und zur Ehrfurchtslosigkeit erziehen würde. Das gesamte<br />

deutsche Episkopat verurteilte gleichzeitig die Hitlerbewegung und ihre weltanschaulichen<br />

Grundlagen. Der menschenfeindliche Rassismus und die heidnische Germanenschwärmerei wurden<br />

angeprangert.<br />

388 Gerd Koenen: Der Russland-Komplex, München, 2005, S. 345<br />

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