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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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zu autonomer Selbstführung fähig werden und so anderen als Vorbild dienen; die Unterschichten<br />

aber, so Coubertin, seien dazu nicht in der Lage. Die modernen Olympischen Spiele, die 1896<br />

erstmals stattfinden konnten, waren als Propagandainstrument gedacht, um in einem auf antike<br />

Traditionen bezogenen kultischen Rahmen den neuen modernen <strong>Menschen</strong> zu feiern.“<br />

In der Zwischenkriegszeit wurde der olympische Wettbewerb dagegen für alle Schichten,<br />

Geschlechter und fast alle Kulturen geöffnet. 1924 allerdings mehr für elitaristische, als für<br />

demokratische Kulturen. Bei der Olympiade in Paris wurden gemäß der organisatorischen Weisheit<br />

der olympischen Funktionäre deutsche Sportler vor der Verwendung des olympischen Grußes in Form<br />

des Hebens des rechten Arms bewahrt; sie durften auf Grund des Kriegsschuldartikels von Versailles<br />

als ehemalige Kriegsgegner nicht teilnehmen. Es herrschte die verkehrte Welt in Paris: <strong>das</strong> noch<br />

demokratisch regierte Deutschland durfte nicht einmal in die entfernte Nähe der Siegertreppchen, <strong>das</strong><br />

bereits faschistisch beherrschte Italien nahm wie selbstverständlich an der Olympiade teil. In die<br />

Gedanken der olympischen Gremien hatten sich die Dogmen der Jugendbewegung fest eingenistet,<br />

wodurch der Faschismus ein Stückchen Normalität geworden war. Das olympische Komitee<br />

übernahm liturgische Versatzstücke der Jugendbewegung, die bereits seit 1920/21 auch zum Ritual<br />

der Nationalsozialisten und Faschisten gehörten. Die Herkunft der Sportbewegung und der völkischkorporatistischen<br />

Bewegung aus der Jugendkultur, die gemeinsame Bezugnahme auf <strong>das</strong><br />

nietzscheanische Leitbild des <strong>Neue</strong>n <strong>Menschen</strong> schuf eine gemeinsame völkerverbindende Plattform,<br />

in der die unkritische Rezeption des „Körpers als heiligem Tempel“, die Entstehung einer<br />

Körperreligion, notwendig die Ablösung vom Christentum beschleunigte und die Entstehung von<br />

„Schönheitsstaaten“ förderte. Auch ein kruder Biologismus und Rassismus schimmert durch: "Es gibt<br />

nur einen Kult, der heute eine dauerhafte Bindung der Staatsbürger untereinander bewirken kann, <strong>das</strong><br />

ist der, der um die sportlichen Übungen der Jugend, dem Symbol des unbeschränkten Fortbestandes<br />

der Rasse und der Hoffnung der Nation, entstehen wird". Freilich war Coubertin Franzose und die<br />

olympische Bewegung eine internationale Bewegung. Deshalb war der Nietzscheanismus nicht die<br />

alleinige Wurzel des Olympionismus. Olympia wäre als deutsche Veranstaltung eine 1:1 -<br />

Übersetzung aus dem Zarathustra geworden, Coubertins Philosophie war etwas gemäßigter und<br />

enthielt beispielsweise eine allgemeine Bejahung der <strong>Menschen</strong>freundlichkeit. "Die Gesellschaft der<br />

Zukunft wird altruistisch sein, oder es wird sie nicht geben: man muß zwischen ihr und dem Chaos<br />

wählen“. Trotzdem war der Hitler-Fan Avery Brundage, der die schöne Olympiade 1936 in Berlin vor<br />

den Kritikern des Nationalsozialismus rettete, danach noch 30 Jahre lang IOC-Vorsitzender. Das Dritte<br />

Reich ging unter, die mit ihm verbandelte Sportführung überlebte.<br />

Wahl zum 3. Reichstag (Ende 1924)<br />

SPD 26,0 % (+ 5,5 %)<br />

USPD 0,3 % ( - 0,5 %)<br />

KPD 8,9 % ( - 3,7 %)<br />

DDP 6,3 % (+ 0,6 %)<br />

DVP 10,1 % (+ 0,9 %)<br />

Völkische 3,0 % ( - 3,6 %)<br />

WP 3,3 % (+ 2,3 %)<br />

DNVP 20,5 % (+ 1,0 %)<br />

Zentrum/BVP 17,3 % (+ 0,7 %)<br />

Sonstige 4,2 % ( - 3,2 %)<br />

Selten waren Parteien, in denen gerade Führungschaos herrschte, bei Wahlen erfolgreich; die Putsch-<br />

und Krawallparteien KPD und NSDAP waren Verlierer, Gewinner waren alle andern, besonders die<br />

SPD. Sie verbuchte zwar einen beträchtlichen Wahlerfolg, aber sie konnte nicht alle Wähler wieder<br />

einfangen, die ihr bei vorhergehenden Wahlen an die Radikalen verloren gegangen waren. In<br />

Mecklenburg und Bayern waren die Völkischen und Nationalsozialisten am Jahresanfang in <strong>das</strong><br />

reformatorische Lager eingedrungen und dorthin gaben sie am Jahresende auch wieder einige<br />

Stimmen ab.<br />

In einigen Ländern und Provinzen war die SPD der Hauptnutznießer des zeitweiligen Niedergangs der<br />

Radikalen. Das betraf insbesondere Berlin, Brandenburg, Anhalt, Waldeck und Niederschlesien.<br />

Wahlergebnisse in den Ländern und Provinzen:<br />

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