Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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sondern schlechterdings ein Geist,<br />
dessen Nichtsehn unausbleiblich.“<br />
Die unbestimmte Programmatik läßt sich nur verstehen, wenn man in die Geschichte des Liberalismus<br />
der Kaiserzeit zurückblickt. Die nationalliberalen und linksliberalen Strömungen hatten spätestens seit<br />
1910 kein klares marktwirtschaftliches Profil, ja sie hatten um es auf den Punkt zu bringen seit dem<br />
Tod von Eugen Richter überhaupt keine Präferenz für die Marktwirtschaft.<br />
Die Programmatik der DDP war mit ihrem völligem Verzicht auf die Marktwirtschaft also nicht ein Kind<br />
des Weltkriegs und der folgenden Novemberrevolution, sondern des Spätkaiserreichs und des<br />
Imperialismus. Sie knüpfte an die Fortschrittliche Volkspartei an und war so unliberal, so dem<br />
imperialistischen Zeitgeist verhaftet, daß es ausgeschlossen erscheint, die DDP als liberale Partei zu<br />
betrachten. Ähnlich schwer fällt <strong>das</strong> bei der gleichzeitig gegründeten Deutschen Volkspartei. Beide<br />
Parteien waren Mittelstandsparteien mit mehr oder weniger Reformwillen, mit mehr oder weniger<br />
Hang zum Antiklerikalismus und mit einer Präferenz für den Erhalt des Privateigentums. Sie waren<br />
aus der parteikritischen Gesellschaft des Kaiserreichs hervorgegangen, waren den Begriffen des<br />
Kaiserreichs ohne es zu wollen letztlich verpflichtet und mit dem Ende der rückwärtsgewandten<br />
Perspektive auf <strong>das</strong> Kaiserreich am Ende der zwanziger Jahre verschwanden sie. Statt liberale<br />
Produkte wie Marktwirtschaft und Konkurrenz zu führen, bedienten sie von Anfang an die<br />
Reformkundschaft mit Halbheiten, sie waren nichtsozialistische antiklerikale Reformparteien, sie<br />
definierten sich vor allem dadurch, was sie nicht waren und nicht wollten. Was sie wirklich waren und<br />
was sie wirklich wollten, <strong>das</strong> sah man am Ende der Republik, sie waren ab 1930 nichts und sie wollten<br />
nichts. Sie werden konsequenterweise im folgenden nicht als liberale Parteien, sondern als gemäßigte<br />
Reformparteien bezeichnet. Bezeichnenderweise war der erste Vorsitzende der DDP Friedrich<br />
Naumann, der bereits vor dem Weltkrieg den neuen nationalsozialen Kurs durchgedrückt hatte.<br />
Neben Naumann gehörten weitere schillernde Persönlichkeiten des Imperialismus, des<br />
Expressionismus und des neudeutschen Wegs der Wirtschaftsverfassung zu den Gründern der DDP.<br />
Walther Rathenau, der als Kriegswirtschaftsführer im Ersten Weltkrieg die letzten Reste der<br />
Marktwirtschaft durch Planwirtschaft ersetzt hatte, wurde im Zusammenhang mit dem deutschen<br />
Sonderweg der Wirtschaftsverfassung bereits erwähnt. Hjalmar Schacht gehörte zeitlebens zur<br />
Reformsekte der Freimaurer, was ihn nicht hinderte, später Hitlers Bankier zu werden. Harry Graf<br />
Kessler hatte die Expressionisten gefördert. Otto Schott gehört zweifellos zu den fortschrittlichen<br />
Industriellen in Deutschland, die Firma seines Betriebs "Jenaer Glaswerk Schott & Gen." weist jedoch<br />
auf seine Affinität zum Genossenschaftswesen hin. Das Genossenschaftswesen ist solange nichts<br />
schlechtes, es ist sogar etwas gutes, solange es nicht als alleinseligmachende<br />
Sonderwirtschaftsweise der Germanen gepriesen wird und solange es nicht in einem<br />
planwirtschaftlichen Umfeld gedeiht. Es wurde in der Zeit um den Ersten Weltkrieg jedoch<br />
überwiegend als Keim der Planwirtschaft, als Grundlage der Volksgemeinschaft und als deutsches<br />
Spezifikum gewertet und verstanden.<br />
Nicht erst 1919 fehlte die Marktwirtschaft im Parteiprogramm. Das Programm war deshalb Selbstmord<br />
auf Raten.<br />
Ein programmatisches Ziel der DDP war es, eine neue Volksgemeinschaft zu schaffen. Dieses Ziel<br />
hätte auch als Drohung verstanden werden können, es wurde 1933 endlich erreicht, jedoch ohne die<br />
DDP.<br />
Die Generalität und die Republik<br />
1916/17 hatte sich die SPD nach russischem Vorbild gespalten. Wie in Rußland gab es bei der<br />
Spaltung der Sozialdemokraten Mehrheitler und Minderheitler. Im Unterschied zu Rußland nannte sich<br />
der rechte Flügel der Arbeiterbewegung Mehrheitssozialdemokratische Partei (MSPD) und die linke<br />
Minderheit nannte sich Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD).<br />
Die MSPD hatte mit Aufmerksamkeit verfolgt, wie die russischen Bolschewiken, die eigentlich die<br />
Parteiminderheit repräsentierten, die Menschewiken ermordeten und ihre blutige Diktatur errichteten.<br />
In Deutschland wollten die Führer der MSPD, insbesondere Friedrich Ebert und Gustav Noske, eine<br />
entsprechende Wiederholung verhindern, nach der Macht im Staate streben und diese Macht auch<br />
gegen die Linkselitaristen behaupten.<br />
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