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Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik

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alles für die Wieraufrichtung traditioneller Wirtschaftsformen und gegen den Bau von Eisenbahnen.<br />

Tatsächlich tagten gleichzeitig mit der Frankfurter Nationalversammlung unsägliche<br />

Handwerkerparlamente in Frankfurt und Berlin, welche unverblümt die Aufhebung der Gewerbefreiheit<br />

forderten. Die preußische Gewerbenovelle von 1849, welche auf diesen zünftigen Druck reagierte,<br />

bestimmte, daß <strong>das</strong> Recht zum Gewerbebetrieb von neuem von der Zugehörigkeit zu einer Zunft<br />

abhängig gemacht wurde. Fürst Bismarck wagte erst im Zusammenhang mit der Bildung des<br />

Norddeutschen Bundes, die Zünfte erneut in die Schranken zu weisen. Auf dem wirtschaftlichen<br />

Gebiet siegte die Konterrevolution 1848/49 auf der ganzen Linie. Und es war nicht die<br />

monarchistische Obrigkeit, die solches bewirkte.<br />

Auch die Voksbewaffnung hatte eine konservative Seite. In der Diskussion darüber wurde auf <strong>das</strong><br />

historische Recht der germanischen Freien Bezug genommen, Waffen zu tragen. Die liberalen<br />

Modernisierer, denen es im Sinne des Bürgertuns darum ging, den Einfluß der Monarchen<br />

einzuschränken, fanden sich in geborgten Argumenten aus der Zeit Karls des Großen. Die<br />

Volksbewaffnung verlief mit der Zeit im märkischen Sande. Nach einigen Wochen Bürgerwehr in<br />

Berlin wurde seitens der durch den Wachdienst gestressten Bürger nach dem Einrücken des Militärs<br />

in die Hauptstadt verlangt.<br />

Das Bildungsbürgertum, darunter die zahlreichen Hofmusikanten, Hofschauspieler, Hofbibliothekare,<br />

Hofmarschälle, Hofdamen, Prinzenerzieher, Bereiter, Zeremonienmeister, Hofprediger, Hofköche und<br />

Hofbaumeister waren allein von ihrer Anzahl ein deutsches Spezifikum. Fast alle von diesen<br />

Hofschranzen verdankten ihre wirtschaftliche Existenz den zahlreichen Kleinstaaten mit ihren Höfen,<br />

Hoftheatern, Hofkapellen und Hofbibliotheken. Sie wären verrückt gewesen, wenn sie die deutsche<br />

Einheit gefordert hätten. Nur in den zahlreichen Residenzen mit ihrem Repräsentationsbedürfnis<br />

konnte sich eine deratig zahlreiche kulturelle Koterie behaupten. Klein- und Mittelstädte wie Weimar,<br />

Schwerin, Meiningen, Detmold, Darmstadt, Altenburg, Neustrelitz, Rudolstadt, Dessau, Bückeburg,<br />

Gera, Arolsen, Sondershausen und Greiz leisteten sich einen an der Bevölkerunszahl gemessen<br />

üppigen Kulturbetrieb. Vom Bildungsbürgertum kam die Forderung nach der deutschen Einheit nicht,<br />

und so blieb Deutschland bis heute ein föderaler Staat.<br />

Wo nationaler Überschwang entstand, vor allem bei den Turnern und Studenten, führte er nicht zu<br />

einem friedfertigen republikanischen Deutschland, welches in sich selber ruhte, sondern zu einem<br />

martialischen, von den turnenden Studenten angefeuerten Koloß, der wild um sich schlug und den<br />

Nachbarn <strong>das</strong> Haus anzündete. Binnen kurzer Zeit kam es zu Kriegen mit Dänemark und den<br />

Aufständischen in Poznan. Welch friedliche und segensreiche Zeit war <strong>das</strong> vielgescholtene<br />

Biedermeier des Fürsten Metternich dagegen!<br />

Die 48er Revolution war die Zäsur zwischen dem selbstbescheidenen Biedermeier und<br />

welthistorischen Aktivitäten Deutschlands. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erweiterte sich<br />

der Bewußtseinshorizont schnell. Das war nicht <strong>das</strong> erste Mal in der Geschichte. Bereits die<br />

Renaissance hatte einen wahren Schub an plötzlicher <strong>Neue</strong>rung bewirkt und kann für schnellen<br />

Wandel beispielhaft betrachtet werden.<br />

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