Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
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Einige der berufsständisch geprägten Parteien unterschieden sich weder im Führerprinzip, <strong>das</strong> aus<br />
der Wirtschaft in die Politik schwappte, noch in der Gefolgschaft, noch in der Blut-und-Boden-Rhetorik,<br />
noch in der handfertigen Art den politischen Gegner zu vertreiben von der NSDAP. Zwar konnten die<br />
Nationalsozialisten am 8. Februar 1928 verjagt werden, über den langen Zeitraum profitierten sie aber<br />
von der Gleichheit ihrer Paradigmen mit denen ihrer Konkurrenten. Das Führerprinzip <strong>braucht</strong>en die<br />
Nationalsozialisten nicht erfinden, die Gefolgstreue gab es schon und die Scholle dampfte auch ohne<br />
und vor Hitler. Landbund-Höfer lamentierte über die Zwangswirtschaft, es hätte konsequenterweise<br />
<strong>das</strong> Ende der Zwangswirtschaft fordern können, aber <strong>das</strong> tat er nicht. Statt dessen wurde dem<br />
Präsidenten des Landesfinanzamts eine Liste mit 12 Forderungen übergeben, wovon alle 12 die<br />
Steuern betrafen. Die NSDAP unterschied sich vom Landbund lediglich dadurch, daß sich ihre<br />
Forderungen nicht im Steuergestrüpp verhakten und verloren, sondern grundsätzlichen Charakter<br />
hatten. Die Abschaffung des römischen Rechts und der Zinsknechtschaft waren Forderungen, die die<br />
Massen mehr begeisterten, und die Konturen der guten alten Zeit erkennen ließen, als die<br />
Steuerstundung bis zur nächsten auskömmlichen Ernte.<br />
Im berufsständischen Sumpf hatten nicht nur die Parteien und Parlamente ein schlechtes Image. Wie<br />
schon erwähnt schwappte die rotbraune Pfütze des Führerprinzips von der Wirtschaft in die Politik.<br />
Bevor die Parlamente in Verruf gerieten, standen bereits die Aktionärsversammlungen im Verdacht<br />
demokratistische Quasselbuden zu sein. Bei der Beratung des Aktiengesetzes 1884 im Reichstag<br />
begründete der Abgeordnete Horwitz die im Entwurf vorgesehenen schwachen Kontrollrechte der<br />
Aktionärsversammlungen damit,<br />
„<strong>das</strong>s diese Generalversammlungen in ihrer Gesamtheit eigentlich auch nicht viel Sympathie<br />
verdienen...Ist eine tüchtige Leitung an der Spitze des gesamten Unternehmens, und sind es<br />
rechtschaffende Personen, die die Verwaltung zu kontrollieren haben, dann wird die Sache<br />
vorwärts gehen. Aber die Weisheit, die in den Generalversammlungen verzapft zu werden pflegt,<br />
ist ziemlich dünn und ungenießbar.“ 177<br />
Der Imperialismus, ein niedriges Stadium des Kapitalismus<br />
Jedes Zusammentreffen von Staat und Wirtschaft ist ein Sündenfall für die reine Lehre des<br />
Konkurrenzkapitalismus. Eine Theorie des Kapitalismus ohne den Staat ergibt jedoch eine reine<br />
Lehre, die sich in reiner Leere bewegt. Den reinen Kapitalismus der freien Konkurrenz hat es nirgends<br />
und zu keinem Zeitpunkt gegeben. Immer ist es durch gesetzgeberische Aktivitäten des Staates zu<br />
Eingriffen in <strong>das</strong> Getriebe der Wirtschaft gekommen. Insbesondere militärische, finanzpolitische und<br />
zunehmend sozialpolitische Erwägungen haben diese Eingriffe bestimmt. Die Menge und der Gehalt<br />
dieser Eingriffe macht den feinen, aber wichtigen Unterschied.<br />
Im Frühjahr 1916 schrieb Lenin in der Schweiz seinen "Imperialismus", im wesentlichen eine Abschrift<br />
aus Rudolf Hilferdings "Finanzkapital", Hermann Levys "Monopole, Kartelle und Trusts" und Theodor<br />
Vogelsteins "Die finanziellen Organisationen der kapitalistischen Industrie und die Monopolbildungen".<br />
Dieser Imperialismus wurde als <strong>das</strong> höchste Stadium des Kapitalismus charakterisiert. Einer der<br />
Kerne der Imperialismus-Definition ist die Monopolisierung der Produktion, insbesondere der Rohstoff-<br />
Industrien durch Bildung von Kartellen, die Entstehung internationaler Truste, andere sind die<br />
Entstehung einer Finanzoligarchie und der Kapitalexport. Lenins Werk gipfelte in der Feststellung:<br />
"Das Monopol ist der Übergang vom Kapitalismus zu einer höheren Ordnung."<br />
Die von Lenin beschriebene Finanzoligarchie ist eine sehr russische Konstante: wenige<br />
Finanzmagnaten steuerten vor 1916 ähnlich wie in der Ära Jelzin-Putin mit dem Segen des Zaren und<br />
in großer Abhängigkeit von ihm die russischen Geldströme.<br />
In Preußen wurde die Verzahnung der privat geführten Montanindustrie über staatlich organisierte<br />
Syndikate seit den achtziger Jahren des 19. Jh. vorangetrieben, den Höhepunkt erreichte diese<br />
Entwicklung im ersten Weltkrieg, wo diese Syndikate Zahnriemen der Kriegsrohstoffabteilung im<br />
besonderen und der Kriegswirtschaft im allgemeinen wurden. Rußland war eine asiatische Despotie<br />
und Preußen eine Armee mit angeschlossener Wirtschaftsabteilung. Insofern war der Imperialismus in<br />
diesen Ländern am ausgeprägtesten. Frei waren aber die anderen Staaten von imperialistischen<br />
Erscheinungen am Beginn des 20. Jh. keineswegs.<br />
177 Protokoll der Reichstagsdebatte am 24.3.1884<br />
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