Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
Wolfgang Prabel Neue Menschen braucht das ... - Klassik & Romantik
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
gerade in den zwanziger Jahren eine Weiterentwicklung des Bilds von der Arbeit erfolgte, eine<br />
Weiterentwicklung der Arbeitsdarstellung für die breite Öffentlichkeit.<br />
Zum Beginn gab es die Arbeiterbewegung des Kaiserreichs, die durch die Idee von Karl Marx<br />
beeinflusst war, <strong>das</strong>s der Wert der Arbeit durch den Wert der gewohnheitsmäßig notwendigen<br />
Lebensmittel des Durchschnittsarbeiters bestimmt wird. Sie nährte <strong>das</strong> Opferbild der Arbeiterschaft<br />
und entsprach der Klassengesellschaft, in der sich Arbeiter und Kapitalist gegenübertraten, um die<br />
Arbeitsbedingungen auszuhandeln.<br />
Am Ende gab es neben der tradierten Arbeiterpartei SPD zwei reformistische Parteien mit<br />
Arbeiteranhang, die nicht marxistisch waren, NSDAP und KPD. Die KPD führte auf Geheiß Moskaus<br />
den Kampf gegen die Kultursklaverei, auf den wir noch kommen werden. Die NSDAP nannte Arbeit<br />
von Anfang an nicht Arbeit, sondern Schaffen.<br />
Mitte der zwanziger Jahre begann man in der NSDAP intensiv über die Rolle der Arbeit<br />
nachzudenken. Klaus Theweleit erwähnt in seinem Buch "Männerphantasien" in diesem<br />
Zusammenhang insbesondere den NS-Roman "Michael" von Goebbels. Die Arbeit sei der<br />
Zentralbegriff, eine Unterform des Kampfes, sie erhält den Mann am Leben, aber nicht wegen des<br />
Lohns, sondern weil die Tätigkeit den Mann vor dem Fragmentieren und Zusammenbrechen<br />
bewahrt. 181 Die Arbeit wurde nicht als Phänomen des physischen Verschleißes, des körperlichen<br />
Martyriums und des menschlichen Kräfteverzehrs, sondern als physischer und moralischer Kraftquell<br />
erkannt und gedeutet. Die zwar unmarxistische, aber populistische linke Mär vom Energieverlust bei<br />
der Arbeit, wo zunächst aus dem Verzehr von Lebensmitteln Kraft entsteht, aus der gewonnenen Kraft<br />
ein Produkt und ein entkräfteter Arbeiter, der im Durchschnitt gerade soviel Lebensmittel verzehren<br />
kann, um sich zu regenerieren, wurde überwunden. Der neue Arbeiter produzierte durch seine Kraft<br />
ein materielles Produkt und als ideelles Abfallprodukt zusätzlich mentale Stärke. Die Zeit der<br />
energetischen Schrumpfphysiologie ging dem Ende zu.<br />
Nicht nur der nationalsozialistische Arbeiter, auch der nationalsozialistische Bauer und der<br />
nationalsozialistische Handwerker leisteten im Unterschied zur späteren stalinistisch-elitaristischen<br />
Epoche gleichwertige Arbeit, sogar geistige Arbeit wurde als solche anerkannt, wenngleich auf dem<br />
nationalsozialistischen Plakat Schaufel, Sense und Sturmgewehr im Vordergrund standen, und nicht<br />
der Zirkel. Der Arbeiter, der Bauer und der Soldat als Garant und Bewacher der Arbeit waren die<br />
Lieblingsakteure der Arbeitsdarstellung, so daß <strong>das</strong> Körperliche der Arbeit in der Propaganda in den<br />
Vordergrund gerückt blieb. Wie sollte die Scholle dampfen und <strong>das</strong> Blut wallen bei geistiger Arbeit?<br />
Dampfender Boden, dampfende Leiber, heute im Zeitalter des Deo-Sprays als Leitbild für viele kaum<br />
nachvollziehbar.<br />
Arbeiter, Bauer und sogar der Soldat wurden mit Handwerkzeugen dargestellt, die der Produktions-<br />
und Kriegstechnik des 19. Jh. entsprechen. Den maschinenbedienenden Industriearbeiter oder den<br />
Ingenieur sucht man vergebens.<br />
Nicht mehr der abgehärmte halbverhungerte Proletarier, der in der grauen Masse zwischen<br />
halbverfallenen Fabrikruinen durch den grauen Dampf der Schlote mit schmutzigroten Fahnen<br />
demonstriert, gleichsam alles die Illustration des verfaulenden Kapitalismus; der während des Porträts<br />
vor Hunger bereits halbtot ist und allenfalls Mitleid erheischt, bleiben die Unhelden oder Objekte der<br />
Arbeitsdarstellung, sondern der kraftvolle Germane, der mit wild entschlossenem Blick den Hammer<br />
schwingt, der Bauer, der zwar schwitzend, aber vor Zähigkeit strotzend in der Sonne pflügt oder mäht,<br />
<strong>das</strong> sind die neuen Helden der Arbeit. Etwa gleichzeitig löste in Rußland der sozialistische Realismus<br />
den Kubismus, Konstruktivismus und andere östlich-westlich-dekadente Ismen ab. Auch dort schauten<br />
den Betrachter von der Leinwand dralle Genossenschaftsbäuerinnen und hämmernde Prachtkerle an,<br />
während in der harten Wirklichkeit Millionen verhungerten. Ein Typ wie Arnie Schwarzenegger als<br />
Conan der Barbar wurde sowohl in der Sowjetunion, als auch bei den Nationalsozialisten zum Leitbild.<br />
Zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und so weiter.....<br />
Joseph Goebbels blickte fasziniert herüber nach Russland, um Vergleiche zu ziehen und Innovationen<br />
zu generieren. Vielleicht sah er nun die bolschewistischen Propagandaplakate, wo die Arbeiter und<br />
Bauern nach der vermeintlichen Abschüttlung des zaristischen Jochs ihr Selbstbewusstsein<br />
demonstrierten und Stärke zeigten?<br />
181 Klaus Theweleit: Männerphantasien, S. 223 ff.<br />
125